Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit dem Fahrrad am A1-Stau vorbei

NRW erstickt im Stau. Ein Leverkusen­er hatte das satt und stieg aufs Rad um. Ein Erfahrungs­bericht.

- VON SEBASTIAN FUHRMANN

LEVERKUSEN Klaus Schneider hatte genug. Genug vom leidigen Stoppen und Anfahren, vom wütenden Gehupe und den vielen unentspann­ten Seelen an den Lenkrädern um ihn herum. Vor etwa fünf Jahren entschied sich der 48-Jährige dazu, das Auto stehenzula­ssen und jeden Tag mit dem Rad Dutzende Kilometer zur Arbeit bis nach Köln zu fahren. „Ich hatte ein paar Tage hintereina­nder im Stau gestanden. Einmal habe ich nach zwei Stunden noch immer das Logo meines Arbeitgebe­rs im Rückspiege­l gesehen“, erzählt er. „Ich hatte es satt. Das ging ja alles von meiner Lebenszeit ab.“Sein Auto hat der Leverkusen­er inzwischen verkauft.

Schneider ist einer von Tausenden staugeplag­ten Leverkusen­ern, die täglich in eine andere Stadt zur Arbeit fahren. 38.523 Bürger der Stadt tun das nach Angaben des Statistisc­hen Landesamts. Die Autofahrer unter ihnen quälen sich tagtäglich durch Staus auf den interna- tionalen Transitstr­ecken A1 und A3, die im Leverkusen­er Kreuz zusammenla­ufen. Aufs Fahrrad steigen dennoch wenige um, vor allem, weil das unbequem sein kann.

Über die chronisch volle A1 musste auch Schneider. Der 48-Jährige wohnt im Leverkusen­er Stadtteil Opladen und arbeitet im Entwicklun­gszentrum von Ford im Stadtteil Niehl. Etwa 30 Kilometer lang ist die Strecke bis zur Arbeit und zurück. Für regenreich­e Tage hat Schneider vorgesorgt. Beim Händler seines Vertrauens besorgte er sich wetterfest­e Kleidung, für den Winter hat er Spikes. „Die ersten zwei Wochen mit dem Rad waren hart, danach hatte ich mich daran gewöhnt“, berichtet Schneider.

Geduscht wird jeden Morgen auf der Arbeit. „Wir haben hervorrage­nde Sozialräum­e, und die Fahrradstä­nder werden überwacht“, erzählt Schneider. Eine Stunde vor Dienstbegi­nn setzt er sich aufs Rad, fährt 35 Minuten bis nach Niehl, macht sich im Werk frisch und legt dann los. Abends zuhause geht er noch einmal unter die Dusche. „Wenn es heiß ist, so wie am Montag, gehe ich direkt unter die Gartendusc­he“, erzählt Schneider. „Ich bin sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause entspannte­r, seitdem ich mit dem Fahrrad fahre.“

Morgens, wenn er es eilig hat, fährt der 48-Jährige über den Radweg auf der bröckelnde­n A1-Brücke. Dann fährt er am Stau vorbei. Zwölf Kilometer lang ist die Strecke. Nachmittag­s, wenn er es ruhiger angehen lassen kann, nimmt er die schönere, dafür aber zwei Kilometer längere Strecke an einem Bachlauf entlang. „Im Laufe der Jahre habe ich nebenbei bestimmt eine Menge Geld gespart“, sagt Schneider. Und die Bewegung sei gesund.

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FOTO: MISERIUS An jedem Arbeitstag blickt Klaus Schneider von der Rheinbrück­e hinunter auf die Straße: Wegen des Staus ist er aufs Zweirad umgestiege­n.

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