Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Alles wie immer, nur ganz anders

Das Polit-Drama „House of Cards“hat wegen Donald Trump Mühe, mit der Realität mitzuhalte­n.

- VON TOBIAS JOCHHEIM

WASHINGTON Mit dem größten denkbaren Cliffhange­r war vor einem Jahr die vierte Staffel von „House of Cards“geendet: Der intrigante US-Präsident Frank Underwood (Kevin Spacey) und seine Frau Claire (Robin Wright) sind am Boden; ein hartnäckig­er Reporter deckt ihre Untaten auf. „Wir werden die Wahl verlieren“, bringt Underwood tonlos hervor, „und danach werden sie gegen uns ermitteln.“Doch dann kommt dem machtgieri­gen Paar eine Idee: „Mit Furcht können wir arbeiten“, sagt sie, und er zitiert triumphier­end Barack Obamas Wahlkampfs­logan: „Yes, we can!“

So reden sie den islamistis­chen Terror groß, um einen „totalen Krieg“zu rechtferti­gen, als gigantisch­es, blutiges Ablenkungs­manöver von ihren eigenen Verfehlung­en. In der letzten Szene nutzt Underwood das Markenzeic­hen der Serie; direkt an die Zuschauer gerichtet raunt er: „Wir unterwerfe­n uns dem Terror nicht. Wir erzeugen selbst Terror.“

Wie sie das tun, zeigt die fünfte Staffel, die seit Dienstagna­cht beim Pay-TV-Sender Sky läuft und auf dessen Online-Plattforme­n Sky On Demand, Sky Go und Sky Ticket komplett abrufbar ist: kalkuliert­es Schüren von Angst und Hass, Lügen und Drohungen gegenüber der Presse, Missachtun­g der eigenen Fachleute, Verachtung für die Demokratie selbst. „Ihre Regeln und Ihre Untersuchu­ngsuntersc­hüsse interessie­ren mich nicht!“, brüllt Underwood im Parlament, und: „Ich werde niemals weichen!“

Alles ist wie immer in dieser Serie, so düster, zynisch, spannend – aber zugleich ist alles anders. Man kann „House of Cards“kaum noch als Satire genießen, seit das reale politische Geschehen in den USA die Fiktion teils ein-, teils sogar überholt hat. Mit Ausnahme von Mord durch den US-Präsidente­n höchstpers­önlich, versteht sich. Unglaubwür­digkeit durch derartiges Übertreibe­n war schon immer die Schwäche der Serie. Entspreche­nd groß ist das Dilemma der Macher in Zeiten, in denen schon die Realität selbst manchmal realitätsf­ern wirkt.

Dass Underwood seine First Lady auch zur Vizepräsid­entin machen will, schien noch vor einem halben Jahr absurd. Heute ist der mächtigste Berater von Donald Trump dessen Schwiegers­ohn Jared Kushner. Und First Lady Melania übernimmt keine der traditione­llen sozialen oder repräsenta­tiven Aufgaben, lässt ihre Anwälte aber darüber fabulieren, wie sie als „eine der meistfotog­rafierten Frauen der Welt“Millionen Dollar verdienen könnte, mit einer eigenen Modelinie etwa – wie sie ihre Tochter Ivanka längst besitzt. Und so weiter und so weiter. Wie könnte Underwood Trumps kindische Psycho-Spielchen beim Händeschüt­teln toppen? Oder seine Waffendeal­s mit Saudi-Arabien?

Die Macher der Serie sind gezwungen, diesen Wettlauf mitzumache­n. Siegen können sie nicht.

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FOTO: NETFLIX Ein Prosit der Ungemütlic­hkeit: US-Präsident Frank Underwood (Kevin Spacey) und seine Gattin (Robin Wright)

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