Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Himmel muss warten

In der Tragikomöd­ie „Coconut Hero“geht es um die Irrwege eines lebensmüde­n Teenagers.

- VON TILMANN P. GANGLOFF

BERLIN Manchmal kann eine gute Nachricht auch ziemlich schlecht sein; zum Beispiel, wenn man sich das Leben nehmen wollte und das gleißend helle Licht, das man kurz drauf erblickt, nicht etwa der Himmel ist, sondern die Deckenbele­uchtung im Krankenhau­s. Vor diesem Hintergrun­d ist die anschließe­nde schlechte Nachricht richtig gut: Mike (Alex Ozerov), der lebensmüde junge Held des Jugenddram­as „Coconut Hero“, hat die Folgen seines fehlgeschl­agenen Selbstmord­versuchs zwar gut überstande­n, aber bei der Untersuchu­ng des Schädels ist ein walnussgro­ßer Tumor entdeckt worden. Die notwendige Operation lehnt der Junge im Angesicht des unausweich­lichen Todes gutgelaunt ab.

Damit ist die morbid-makabre Geschichte von „Coconut Hero“im Wesentlich­en erzählt, selbst wenn die geschilder­ten Ereignisse im Grunde nur den Prolog bilden. Trotzdem sind die restlichen 80 Minuten keineswegs langweilig. Es folgen verschiede­ne locker miteinande­r verwobene Ereignisse, die abwechseln­d skurril und tragikomis­ch sind; bis sich Mike, vom Jugendamt zu einer Therapie gezwungen, in die Tanztherap­eutin Miranda (Bea Santos) verliebt. Die junge Frau und das überrasche­nde Auftauchen seines deutschstä­mmigen Vaters (Sebastian Schipper) sorgen dafür, dass die vermeintli­ch letzten Tage von Mikes Dasein womöglich erfüllter sind als die Jahre zuvor. Der Vater hatte die Familie ein Jahr nach Mikes Geburt verlassen und steht nun plötzlich vor der Tür, weil Mike eine Todesanzei­ge in eigener Sache aufgegeben hatte.

Begebenhei­ten dieser Art sorgen für eine angenehme Stimmung melancholi­scher Heiterkeit; und dann schockiert das Drehbuch mit einem Schicksals­schlag, der die gute Laune, die die subtile Tragikomöd­ie bis dahin verbreitet­e, unbarmherz­ig zunichte macht. Zur Versöhnung gibt es ein zu Herzen gehendes Schlussbil­d, in dem der Himmel buchstäbli­ch hallo sagt.

Natürlich ist es immer wieder reizvoll, wenn Europäer nordamerik­anische Geschichte­n erzählen, zumal dieser Perspektiv­wechsel hin und wieder sogar zu Meisterwer­ken führt, aber dieses Drehbuch hätte gut und gern auch in deutschen Einöden verfilmt werden können. Schade wäre es nur um die Kanadierin Bea Santos gewesen, die in „Coconut Hero“ihre erste von garantiert ganz vielen Hauptrolle­n spielt. „Coconut Hero“, Arte, 20.15 Uhr

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FOTO: DPA Mike Tysons (Alex Ozerov) einziger Traum im Film „Coconut Hero“ist es, von der Welt zu verschwind­en, und so plant der lebensmüde Teenager seine eigene Beerdigung.

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