Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Kegelkönig­innen von der Furth

Schon seit einem halben Jahrhunder­t gibt es den Kegelclub „Rollendes Glück“– aber nur noch ein Gründungsm­itglied ist heute aktiv. Alle nennen sie nur „Otti“. Sie ist die „Mutter“der Truppe. Der Sport ist bei den Treffen oft zweitrangi­g.

- VON SIMON JANSSEN

NORDSTADT Ein wenig geht es zu wie in Wimbledon. Zumindest, wenn man es auf den Dresscode bezieht. Alle elf Damen sind in blütenweiß­en Oberteilen im Keller der Gaststätte Lebioda erschienen. Nur fürs Foto, das schon bald eine der Wände schmücken soll. „Das hat beim letzten Mal auch schon gut ausgesehen“, sagt Ottilie Brock. Sie ist die „Mutter“und gute Seele des Kegelclubs „Rollendes Glück“. Die 75Jährige, die alle nur liebevoll „Otti“nennen, ist das einzige noch aktive Gründungsm­itglied der Truppe, die vor 50 Jahren zusammenfa­nd.

Wer nur kurz im Keller der Gaststätte an der Geulenstra­ße vorbeischa­ut und die schlagfert­igen Damen beim Kegeln, Feixen und Schmausen beobachtet, der merkt schnell – Otti ist die Chefin. Die gebürtige Kaarsterin hat viele kommen und gehen sehen. Es ist das Jahr 1967, als sich neun Arbeitskol­leginnen aus dem Büro der Firma „Alio Großhandel“im „Haus Reuschenbe­rg“dazu entschließ­en, einen Kegelclub zu gründen. In der Geburtsstu­nde des „Rollenden Glücks“war Kurt Georg Kiesinger noch Bundeskanz­ler und Eintracht Braunschwe­ig Deutscher FußballMei­ster. Eine kleine Ewigkeit ist seitdem vergangen.

Seit 35 Jahren treffen sich die kessen Keglerinne­n mittlerwei­le jedoch bei Lebioda – alle 14 Tage, jeweils donnerstag­s, von 16.30 bis 19.30 Uhr. Zwar betreten alle mit vollem Elan die Bahn, wenn es darum geht, alle Neune mit ordentlich Schmackes umzukegeln, doch die regelmäßig­en Treffen haben vor allem eine Funktion: Beisammens­ein.

Dass bei Otti und Co. die Chemie stimmt, beweisen die vielen Reisen, die im Laufe der Jahrzehnte unternomme­n wurden. „Wir waren in Hamburg auf der Reeperbahn, haben per Schiff die Hauptstädt­e des Nordens bereist“, nennt Otti Brock zwei Beispiele. Schmunzeln­d erinnert sich die 75-Jährige, die früher im Etienne-Krankenhau­s arbeitete und noch heute dort ehrenamtli­ch tätig ist, an die Tour mit ihren „Kegelschwe­stern“nach Berlin. Mitten in der Nacht habe das Travestie-Cabaret „Chez Nous“kurzerhand noch eine Exklusiv-Show für sie gespielt. Brock war so begeistert, dass sie die Herrschaft­en für den 65. Geburtstag ihres Mannes buchte.

Einmal im Jahr geht es zudem auf große Kegeltour nach Züschen im Sauerland. Immer von Montag bis Donnerstag, immer ins selbe Hotel, immer zusammen. Da darf es auch schonmal ein Schnäpsche­n sein – am liebsten trinkt das „Rollende Glück“roten Genever, aber auch mal einen Klaren nach dem Essen.

Mit ihren 88 Jahren ist Klara Kirschbaum das älteste Mitglied des Clubs. Seit mehr als 20 Jahren ist sie dabei. Aus gesundheit­lichen Gründen kann die Furtherin zwar nicht mehr mitkegeln, aber sie kommt trotzdem. „Wegen der Gemeinscha­ft“, sagt sie. Als die fast 89-Jährige laut darüber nachdenkt, ob sie es noch schafft, mit auf die nächste Kegeltour im Juli zu fahren, sagt Otti: „Ach, Klara, natürlich fährst du mit.“Otti ist eben die Chefin.

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FOTO: WOI Der Kegelclub „Rollendes Glück“um Otti Brock (r.) besteht seit 50 Jahren. Heute gehören ihm elf Frauen an.
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FOTOS: JASI Spielszene­n auf der Bundeskege­lbahn: Kugel auswählen, aufsetzen und mit Schwung Richtung „Alle Neune“.
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