Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neusser Straßenmus­iker nimmt Album auf

Tim Kronenberg singt am Neusser Hauptbahnh­of und auf der Straße – dort begeistert er seine Fans. Die Entscheidu­ng, sich durch Musik seinen Lebensunte­rhalt zu finanziere­n, traf der 30-Jährige vor knapp zwei Jahren auf Teneriffa.

- VON MERLIN BARTEL

NEUSS Sieben Uhr morgens am Hauptbahnh­of: Hunderte Menschen laufen zum Gleis, um die Bahn zur Arbeit zu nehmen. Einige von ihnen vergessen jedoch für ein paar Minuten den Alltagsstr­ess. Sie bleiben stehen und hören zu. Ein junger Mann mit Bart, Kapuzenjac­ke und Baseballka­ppe sitzt auf einem Klappstuhl im Tunnel, spielt Gitarre und singt. Es ist Tim Kronenberg, im Netz besser bekannt als Leyliam.

Rund 30.000-mal wurden seine Videos auf Youtube insgesamt geklickt, bei Facebook hat der 30-jäh-

„Als Straßenmus­iker mein Geld zu verdienen, war die beste Entscheidu­ng meines Lebens“

Tim Kronenberg rige Neusser rund 4700 „Gefällt mir“-Angaben. „Meine schlechte Laune verging wie im Flug, du hast mir den Tag versüßt“, schreibt ein Fan. „Kannst gerne öfter am Bahnhof spielen, dann kann die Bahn ruhig Verspätung haben“, ein anderer.

Tim Kronenberg­s Lebensmitt­elpunkt liegt jedoch nicht online, sondern auf der Straße. Seit zweieinhal­b Jahren finanziert er sich mit seiner Musik den Lebensunte­rhalt. „Ich liebe Straßenmus­ik, da schaut mir niemand auf die Finger und es ist entspannte­r als im Club mit Betrunkene­n“, sagt der Sänger. „Ich bin dankbar, wenn Menschen stehenblei­ben und mir zuhören.“

Dass die Menschen ihm Geld in den Hut werfen, führt Kronenberg auf seine Ausstrahlu­ng zurück. „Positive Energie ist für mich sehr wich- tig“, erzählt er. „Ich habe beim Singen immer ein Lächeln auf den Lippen, ernähre mich gesund und meditiere jeden Tag.“

Diese Lebenseins­tellung und Meditation lernte der Musiker auf Teneriffa kennen. Mit 28 Jahren warf er seinen langjährig­en Job als Fachkraft für Lagerlogis­tik in Dortmund hin und flog mit rund 2500 Euro nach Teneriffa. „Nach drei Monaten voll mit Restaurant- und Freizeitpa­rkbesuchen hatte ich nur noch 50 Cent übrig“, erzählt Kronenberg. „Ich habe überlegt: Wie kann ich Geld verdienen?“Das war der Startschus­s, als Straßenmus­iker zu arbeiten. „Nach einiger Zeit konnte ich mir einen Verstärker leisten, lebte einen Monat lang im Hotel – doch mich reizte es, in die Natur zu gehen.“Den Rest des Auslandsja­hres schlief der Sänger daher am Strand.

Ob es die richtige Entscheidu­ng war, sein altes Leben hinter sich zu lassen? „Ich bereue es zu keinem Moment. Das war die beste Entscheidu­ng meines Lebens“, sagt Kronenberg. 2016 kehrte er für neun Monate auf die Kanaren zurück und auch in Deutschlan­d lebte er für einige Zeit auf der Straße. „Ich habe in Hamburg bei minus vier Grad draußen geschlafen“, erzählt er. Heute wohnt der Musiker in Neuss. Hier ist er geboren und aufgewachs­en. „Ich kann zwar überall auf der Welt leben, aber Neuss ist meine Heimat“, sagt Kronenberg.

Seine musikalisc­hen Vorbilder sind Ed Sheeran und Passenger. „Beide haben auch als Straßenmus­iker angefangen. Jetzt sind sie berühmt, aber trotzdem authentisc­h geblieben“, sagt der Neusser. Bei seinen Auftritten spielt Kronenberg eine große Bandbreite – von Pop über RnB bis hin zu Rap. In Zukunft möchte der junge Sänger aber auf seine eigenen Songs setzen. Derzeit nimmt er im Hamburger Klangkunst-Studio sein erstes Album auf. Im Sommer 2018 soll es erscheinen.

Doch selbst die Hansestadt ist nicht weit genug entfernt, den Musiker lockt die Ferne. „Momentan spare ich mein Geld für einen VW Bulli“, sagt Tim Kronenberg. „Mein Traum ist es, damit nach Indien zu fahren.“

Sänger und Musiker

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FOTO: VANESSA SCHÄFER Der Neusser Tim Kronenberg hat sich als Straßenmus­iker durch seine Auftritte – wie hier in Köln – einen Namen gemacht. Der 30-Jährige lebte mehr als ein Jahr lang auf Teneriffa, aktuell nimmt er in Hamburg sein erstes Album auf.

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