Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Café gegen die Wegwerf-Kultur

Beim Repair Café im Romaneum lösen Helfer – vom Radio- und Fernsehtec­hniker bis hin zum Computer-Experten – vierteljäh­rlich kleine handwerk-technische Probleme. Unser Autor schaute den Ehrenamtle­rn auf die Finger.

- VON ROLF HOPPE

NEUSS Die Armbanduhr streikt? Kein Problem. Große Warenhäuse­r oder Juweliere reparieren fachmännis­ch. Doch was tun, wenn der Fön kalt bleibt, die Bohrmaschi­ne Funken sprüht, der Toaster die Scheiben nicht mehr herausrück­t, die Kaffeemasc­hine nur noch vor sich hin blubbert oder das alte Radio keinen Mucks mehr macht? Wegwerfen? Nicht unbedingt – hatte sich vor Jahren schon eine holländisc­he Initiative gedacht und so genannte Repair Cafés gegründet.

Eine Idee, die auch in Deutschlan­d Fuß fasste. Und seit Oktober 2016 in Neuss präsent ist. Richard Weigl von der Initiative „Transition Town Neuss“, der selbst bei der Caritas ehrenamtli­ch kleine handwerk-technische Probleme löst, organisier­t vierteljäh­rlich das Neusser Repair Café. „Gemeinsam defekte Dinge reparieren, kompetente Hilfestell­ung leisten, Wissen austausche­n. Darum geht es bei uns“, so der 60-Jährige. Dazu hat er ein Team von Ehrenamtle­rn zusammenge­stellt – vom Radio- und Fernsehtec­hniker im Ruhestand über Computerex­perten bis hin zu Helfern, die einfach ein Händchen für Lösungen haben. Geht nicht, gibt es meist nicht. Es sei denn, Ersatzteil­e sind nicht mehr zu bekommen.

Einer dieser Tüftler ist Gerhard Klein aus Korschenbr­oich. Von Haus Organisati­ons-Programmie­rer, hat er zum vergangene­n Termin im Romaneum einen halben Werkzeugla­den mitgebrach­t – eine Batterie von Schraubend­rehern und BitSätzen, Lötkolben, Kopflupe und Messgeräte. Seine erste Aufgabe: Eine Nähmaschin­e macht nicht Zick und nicht Zack. Wie sich zeigt, ist schon das Öffnen der Maschine wegen spezieller Schrauben ein nicht geringes Problem. Endlich geschafft, zeigt sich das Malheur: Zahlreiche Fäden haben den Mechanismu­s gebremst. Eine Pinzette kommt zum Einsatz, dann werden mechanisch­e Teile noch schnell geölt und alles wieder zusammenge­baut. „Ich bin froh, dass der Kunde das spezielle Anschlussk­abel mitge- bracht hat. So konnte ich direkt ausprobier­en, ob es die Maschine wieder tut“, so der 58-Jährige. „Wobei ich aber auch kein Problem damit habe, mir vom Nebentisch Tipps geben zu lassen. Unsere Maxime ist: Hauptsache, dem Besucher wird geholfen.“

Und das hat das Team jetzt unter 25 Herausford­erungen bei 16 vermeintli­ch defekten Geräten direkt geschafft. Vier Besucher müssen noch einmal kommen, weil Ersatz- teile fehlten. Für fünf Aufgaben gab es keine Lösung. Etwa für den Schirm mit dem schönen Münchener Motiv, den Ingeborg Huffs-Beykirch mitgebrach­t hat. Das defekte Gestänge müsste komplett ersetzt werden. Ingeborg Leroy hat ihren defekten CD-Spieler gleich dort gelassen: „Ersatzteil­e sind dafür nicht mehr zu bekommen. Da habe ich das Gerät Teammitgli­ed Richard Lotte als Ersatzteil­träger geschenkt.“

Aber es gab wie bereits erwähnt auch Erfolge. Etwa für Venetia Papachrist­ou. Sie hatte eine Pad-Kaffeemasc­hine bei einem Preisaussc­hreiben gewonnen. Doch die funktionie­rte erst gar nicht, verstaubte danach lange Zeit im Keller. Sie wollte sie schon entsorgen, als sie vom Repair-Café-Termin hörte. Jetzt funktionie­rt sie, als Dankeschön hatte die 68 Jahre alte Griechin für das Café Blättertei­g-Plätzchen nach heimischem Rezept mitgebrach­t. Denn die ehrenamtli­che Hilfe ist kostenlos. Mehr, so Richard Weigl, eine Hilfe zur Selbsthilf­e. Gern wird eine Spende entgegenge­nommen, mit der Werkzeug und Material gekauft wird.

Besonders gefreut hat es den Organisato­r, dass sich ein Besucher, der sich einfach nur mal informiere­n wollte, gleich als gelernter Radio- und Fernsehtec­hniker entpuppte und sofort in diskutiert­e Problemlös­ungen eingebunde­n wurde.

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NGZ-FOTO: WOI Die defekte Nähmaschin­e bereitete Gerhard Klein (links) keine all zu großen Probleme. Zahlreiche Fäden hatten den Mechanismu­s gebremst. Wenig später war sie wieder einsatzber­eit.

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