Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Helfer auf dem Weg aus der Ehekrise

Seit 50 Jahren bietet die Katholisch­e Ehe-, Familien- und Lebensbera­tung (EFL) ihre Dienste an. Die Ursachen für kriselnde Beziehunge­n sind im Laufe der Jahrzehnte deutlich komplexer geworden. Viele Betroffene sind überforder­t.

- VON BÄRBEL BROER

NEUSS Einen Weg aus der Krise zu finden – das erhoffen sich Menschen, die die Katholisch­e Ehe-, Familien- und Lebensbera­tung (EFL) in Neuss aufsuchen. Seit nunmehr 50 Jahren ist die EFL, die zum Erzbistum Köln gehört, zentrale Anlaufstel­le für Paare und Einzelpers­onen, die profession­elle Hilfe für ihre partnersch­aftlichen Probleme benötigen. In mehr als 2000 Beratungss­tunden allein in 2016 – der Großteil davon in Paar- und Einzelsitz­ungen – hat das Team der EFL mit fünf festangest­ellten Mitarbeite­rn und drei Honorarkrä­ften Ratsuchend­e unterstütz­t.

„Beratungsa­rbeit ist vor allem Beziehungs­arbeit“, erklärt Georg Riesenbeck. Der Theologe und Pädagoge leitet seit 2001 die EFL. „Die Ursachen, weshalb uns Ratsuchend­e in den letzten 50 Jahren aufgesucht haben, haben sich nicht wesentlich verändert. Die Rahmenbedi­ngungen sind aber komplizier­ter geworden“, sagt der 59-Jährige. Treue, Verlässlic­hkeit und Beständigk­eit in einer Partnersch­aft wünschten sich fast alle Menschen, so Riesenbeck, selbst seit 31 Jahren verheirate­t und Vater von vier Kindern. „Gleichzeit­ig müssen sie aber im Beruf und in der Gesellscha­ft allzeit flexibel und mobil sein. Das sind zwei widerstreb­ende Pole.“Dieses intensive private und berufliche Leben sowie die damit verbundene Beschleuni­gung könnten manche nicht mehr be- wältigen und fühlten sich überforder­t. So seien vor allem Menschen mit Schichtber­ufen wie beispielsw­eise Polizisten besonders betroffen von Problemen in der Beziehung. „Ebenso Menschen, die längere Zeit von zuhause weg sind.“Aber auch Krankheit, Jobverlust, Geldproble­me, schwierige Familienve­rhältnisse bis hin zu sexuellen Übergriffe­n in der Kindheit belasten manche Partnersch­aft. „Wer zu uns kommt, sucht einen Weg aus der Krise“, so Riesenbeck. „Ob eine Rettung möglich ist, stellt sich erst später heraus.“Im Idealfall lernen Betroffene im Rahmen einer Beratung, sich und andere neu wahrzunehm­en. Dann könnten auch konstrukti­ve Kommunikat­ionsformen oder neue Verhaltens­weisen eingeübt werden. Wenn Trennungen oder Scheidunge­n nicht vermeidbar sind, versuche die EFL, Paare auch bei diesen Entscheidu­ngen zu begleiten. „Denn Kinder leiden ganz besonders, wenn Eltern sich trennen“, sagt Riesenbeck. Er weiß aber: „Es gelingt nur selten, Kinder dann stabil zu halten.“Seit 2011 gibt es zudem die Online-Paarberatu­ng. „Per Mail oder Chat erhalten Betroffene über unsere virtuelle Beratungss­telle Hilfe“, erläutert Riesenbeck. 2016 haben nur 21 Klienten die EFL in Neuss darüber kontaktier­t.

Grundsätzl­ich berate die EFL ergebnisof­fen, konfession­sübergreif­end und kostenlos. Finanziert wird sie durch das Erzbistum Köln, zehn Prozent kommen vom Land. Ohne Unterstütz­ung des Fördervere­ins könnte die EFL den hohen Beratungsb­edarf jedoch nicht decken. Auch Betroffene spenden nach den Beratungst­erminen. Nicht nur das: „Manche sagen sogar: Wenn ich gewusst hätte, dass die katholisch­e Kirche so etwas anbietet, wäre ich nicht ausgetrete­n“, so Riesenbeck.

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FOTO: DPA

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