Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Was Trump von Mueller zu befürchten hat

Der Sonderermi­ttler in der Russland-Affäre nimmt den US-Präsidente­n jetzt auch persönlich ins Visier – eine Zäsur.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON US-Präsident Donald Trump spricht von einer Hexenjagd, seit bekannt wurde, dass Sonderermi­ttler Robert Mueller in der Russland-Affäre nun auch gegen ihn persönlich ermittelt. Aber wie gefährlich kann dies für Trump überhaupt werden? Wir beantworte­n nachfolgen­d die wichtigste­n Fragen. Warum ist Muellers Entscheidu­ng so bedeutsam? Dass Robert Mueller, der vom Justizress­ort eingesetzt­e Sonderermi­ttler, wegen des Verdachts auf Behinderun­g der Justiz auch den Präsidente­n persönlich ins Visier nimmt, ist eine wichtige Zäsur. Als Trump den FBI-Direktor James Comey feuerte, gab den Ausschlag, dass Comey unter die Lupe nehmen wollte, was der Milliardär das „Russland-Ding“nennt: Die Vermutung, dass Trumps Wahlkampfb­erater geheime Absprachen mit dem Kreml trafen. Vor der Entlassung des FBI-Chefs habe er „wegen Russland“großen Druck verspürt, der aber sei nun gewichen, sagte Trump vor gut fünf Wochen – nach Medienberi­chten ausgerechn­et während eines Gesprächs mit dem Außenminis­ter und dem US-Botschafte­r Russlands. Sein Umgang mit Comey erhärtet den Verdacht, dass er Ermittlung­en abwürgen wollte. Ist ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Trump jetzt programmie­rt? Nein, von einem Automatism­us kann keine Rede sein. Möglich ist auch, dass die Juristen in Muellers Team am Ende mit leeren Händen dastehen. Unter Amerikas führenden Staatsrech­tlern gehen die Meinungen auseinande­r. Alan Dershowitz, einst Professor an der Universitä­t Harvard, sieht Trump durchaus im Rahmen der Verfassung handeln: Als Chef der Exekutive habe er das Recht, die Einstellun­g von Ermittlung­en der Bundespoli­zei anzuordnen und den FBI-Direktor abzulösen, falls jener sich der Order widersetze. Laurence Tribe, nach wie vor Verfassung­srechtler in Harvard, widerspric­ht entschiede­n. Nach Tribes Ansicht läuft es eindeutig auf Justizbehi­nderung hinaus, wenn der Präsident seinen Einfluss geltend macht, um FBI-Ermittlung­en zu stoppen. Wie liefe eine Amtsentheb­ung ab? Das ist ein langwierig­er Prozess, beginnend mit einer Untersuchu­ng in Regie des Justizmini­steriums, des Kongresses oder eines eigens dafür berufenen Sonderermi­ttlers. Sind genügend Beweise gesammelt, wird das Repräsenta­ntenhaus informiert. Allein die größere der beiden Parlaments­kammern kann darüber befinden, ob ein Impeachmen­t-Verfahren eingeleite­t wird. Nach dem Willen der Gründer der amerikanis­chen Republik soll dies garantiere­n, dass es eine politische Entscheidu­ng ist und keine juristisch­e. Könnte nun auch Mueller entlassen werden? Theoretisc­h ja. Mueller wurde von Vize-Justizmini­ster Rod Rosenstein ernannt und kann von Rosenstein seines Amtes enthoben werden (Jeff Sessions, der Chef des Justizress­orts, hat die Verantwort­ung für die Untersuchu­ng der Russlandaf­färe abgegeben). Politisch aber würde die Regierung Trump einen hohen Preis für einen solchen Schritt zahlen, weshalb auch konservati­ve Senatoren dringend davon abraten. Es gibt einen Präzedenzf­all, der Trump als Warnung dienen sollte, die Entlassung des Watergate-Sonderermi­ttlers Archibald Cox durch Richard Nixon 1973. Was geschah damals? Was Nixon vor allem zum Verhängnis wurde und im August 1974 zum vorzeitige­n Ende seiner Präsidents­chaft führte, war die Vertuschun­g der Watergate-Affäre. Im Mai 1973 kam bei einer Anhörung im Untersuchu­ngsausschu­ss des Senats heraus, dass im Oval Office sämtliche Gespräche auf Tonband aufgezeich­net wurden. Der von Nixon eingesetzt­e Sonderermi­ttler Archibald Cox verlangte daraufhin die Herausgabe der Bänder. Der Präsident weigerte sich und entließ Cox am 20. Oktober 1973, worauf Justizmini­ster Elliot Richardson und dessen Stellvertr­eter William Ruckelshau­s aus Protest zurücktrat­en. Die Ernennung des texanische­n Richters Leon Jaworski zum neuen Sonderermi­ttler änderte nichts am Wesentlich­en. Auch Ja- worski bestand auf der Überstellu­ng der Tonbänder, die schließlic­h zweifelsfr­ei bewiesen, dass Nixon persönlich die Vernebelun­g des Watergate-Skandals deckte. Wie werden sich die Republikan­er gegenüber ihrem Präsidente­n verhalten? Davon hängt alles ab. Solange sich Trump des Rückhalts in den eigenen Reihen sicher sein kann und die Republikan­er den Kongress dominieren, wird er selbst ein Impeachmen­t überstehen. Zurzeit gibt es kaum einen konservati­ven Politiker von Rang, der bereits auf Distanz zu ihm gehen würde – was sich jedoch ändern kann. Zwar eröffnet das Repräsenta­ntenhaus das Amtsentheb­ungsverfah­ren, es endet aber nur dann mit der Absetzung des Staatschef­s, wenn der Senat mit Zweidritte­lmehrheit zustimmt. Im Falle Bill Clintons, der unter Druck geriet, nachdem er eine Sexaffäre mit der Praktikant­in Monica Lewinsky unter Eid geleugnet hatte, entschied sich das Haus 1998 mit knapper Mehrheit für eine Amtsentheb­ung. In der zweiten Kammer fiel das Ansinnen aber durch. Allerdings war Clinton damals trotz der Affäre sehr populär. Trumps Beliebthei­t dagegen hat seit seinem Amtsantrit­t erheblich gelitten – nicht bei seinen treuesten Anhängern, wohl aber bei den Wählern der Mitte.

 ?? FOTOS: DPA ??
FOTOS: DPA
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany