Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Schöne Pointen in komplexer Handlung
Mit „The Alchemist“hat im Globe ein Stück des Shakespeare-Zeitgenossen Ben Jonson seinen Erstauftritt.
NEUSS Drei Tage lang gehört das Globe einem Zeitgenossen William Shakespeares. Zu dessen Zeit war Ben Jonson genauso berühmt wie der weltgrößte Dramatiker. Und eins seiner erfolgreichsten Stücke trägt den Titel „The Alchemist“. Im angelsächsischen Raum gehört es bis heute zum Repertoire vieler Theatertruppen. Bei uns hingegen gab es in den 1960er Jahren eine Übersetzung, die aber kaum über den Einsatz auf Amateurbühnen hinauskam. Das Stück hat als Anker die drei klassischen Einheiten des Ortes, der Zeit und der Handlung. Gerade aber bei Letzterer ist Vorsicht geboten. Ein komplexes Personaltableau mit 17 Charakteren und einer ziemlich verwickelten Geschichte geht auf, wenn dem Publikum der Rahmen vertraut ist. Zeitgenossenschaft also machte „The Alchemist“zum Renner – London als entstehende Weltstadt, die große Pest, der puritanische Hass auf Theater. Und menschliche Schwächen wie Gier, Ehrgeiz, Lüsternheit.
Bereits viermal war Stephen Jameson mit seinen Mountview Productions zu Gast im Globe, bisher allerdings mit Shakespeare-Stücken. Was man jetzt bei dem zweieinhalbstündigen Abend erleben konnte, zeigt die Stärken und Schwächen des Autorenwechsels. Ein Beispiel: Abel Drugger, ein Mitglied der Kaufmannsgilde, sucht Rat für die Art und Weise, wie er ein Ta- bakgeschäft eröffnen soll. Im Haus des Betrüger-Trios Face, Subtle und Doll wird er zunächst abgezockt. Dann geht es um den idealen Namen für den neuen Laden. Ein sogenannter Hellseher lässt ein Piktogramm erstellen: eine Glocke, ein „d“, eine Figur mit einem Kleid, auf dem „rug“steht. Schließlich einen zähnefletschenden Hund: „errrrr“. Zusammen ergibt das irgendwie den Namen des Auftraggebers. Die geniale Volte hätte üblicherweise zum Szenenapplaus geführt. Nun hörte man kaum mehr als ein paar Lacher. Die Zuschauer hatten mit den Verwicklungen der Handlung derart zu kämpfen, dass manch schöne Pointe nicht richtig zündete.
Und derer gab es eigentlich genug. Jameson verband die historischen Elemente sehr geschickt mit jenem Schnickschnack, der heute unser Leben bestimmt. Eine Spiele- konsole etwa und das gerade in England omnipräsente Kamerasystem CCTV. Dazu kam als Grundelement der Handlung ein für Nicht-Muttersprachler überraschendes Verständnis von „Housekeeping“. Hierzulande verschafft sich in Hotels das Zimmermädchen mit dem Wort Zugriff zum Gästebereich. In „The Alchemist“nutzt der Butler als „Housekeeper“die Abwesenheit seines Herrn für üble Geschichten. Man sah den Qualm der Hexenküche, man erlebte Dutzende von Aufund Abgängen, die Kostüme waren hervorragend. Sogar Spanisch wurde parliert, und das nicht mal schlecht. Ein wunderbarer Rap des Butlers Face (exzellent gespielt von Adam Young) führte in das Bühnenspiel ein und beschloss dieses, begleitet von einer Explosion.
Weniger gelungen aber war die sprachliche Leistung der Truppe, so dass selbst englischsprachige Gäste in der Pause Verständnisprobleme diskutierten. Eine rühmliche Ausnahme bildete Grace Gill als Prostituierte Doll und Hausbesitzerin Lovewit. Mit ihrer klaren Diktion zeigte sie, wie Bühnensprache auch klingen kann. Eine Handlung, die bereits im Programmheft fünf Seiten umfasst, ist vielleicht eine zu große Herausforderung für ein internationales Tournee-Theater.