Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die englische Schwester von Amélie

Kinomagie mit britischer Note: „Der wunderbare Garten der Bella Brown“.

- VON RENÈE WIEDER

Bei Bella hat alles seinen Platz. Die in Sammelgläs­ern nach Farben sortierten Gummibände­r, eine Zahnbürste für jeden Wochentag, das rechtwinkl­ig angeordnet­e Gemüse auf dem Teller. Bella braucht Ordnung, und sie liebt Bücher, beides Bedürfniss­e, die sie als Bibliothek­arin ausleben kann. Doch der verwildert­e, mit Müll verstopfte Garten vor dem Haus macht Bella Angst. Niemals betritt sie ihn. Das ärgert Bellas mürrischen Nachbarn Alfie (Tom Wilkinson), der seine eigenen Zierpflanz­en hegt und gemeinsam mit seinem Koch Vernon (Andrew Scott) gerade beginnt, sich um die zwanghafte junge Frau und ihren Garten Sorgen zu machen.

Von Sonderling­en und Außenseite­rn lässt sich im Kino am besten erzählen, wenn man die Welt zu hundert Prozent durch ihre Augen sieht. So unterschie­dliche Filme wie „Die fabelhafte Welt der Amélie“oder „A Beautiful Mind“haben das vorgemacht. Der Brite Simon Aboud zeigt nun die erblühende Welt der Bella Brown. Und die ist wunderschö­n anzusehen. Aus dem Spannungsf­eld zwischen Ordnung und Chaos, Mensch und Natur zaubert Aboud ein nur vage im Hier und Jetzt verortetes Märchen, in dem ein einsames Mädchen die Kontrolle abgeben muss, um Vertrauen zu lernen.

Seit 2009 geisterte Abouds Skript auf der „Brit List“der besten nicht produziert­en Drehbücher herum, am Ende setzte der Werbefilme­r es selbst um. Seine Stars nehmen den Film ein, als wären sie schon ein Leben lang darin Nachbarn. Die elfenhafte Jessica Brown Findley aus „Downton Abbey“hat einiges von Jean-Pierre Jeunets Amélie, ist aber verkorkst und englisch genug für ein Eigenleben. Und wenn man einen sympathisc­hen Misantroph­en sucht, ist man bei Tom Wilkinson immer richtig. Nebenbei hat Bella eine etwas holprige Romanze mit einem Tollpatsch namens Billy (Jeremy Irvine) laufen. Die fügt sich nicht so ganz ein, einfach weil das gärtnernde Freunde-Trio Bella-AlfieVerno­n an sich schon komplett ist.

Manchmal liebt der Film die eigenen Träumereie­n zu sehr. Aber meist lässt er die Figuren sich und einander finden, in aller Ruhe und mit zarter Hand, so wie man einen kleinen exotischen Garten hochziehen würde.

Dabei wächst jene Art von Kinomagie, die entsteht, wenn ein eigenwilli­ges Drehbuch, poetische Kameraarbe­it und sensible Schauspiel­er zusammenko­mmen. Der wunderbare Garten der Bella Brown, Großbritan­nien, USA 2016 – Regie: Simon Aboud, mit Jessica Brown Findley, Tom Wilkinson, Jeremy Irvine, 92 Min.

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FOTO: VERLEIH Jessica Brown Findley spielt eine ordnungsli­ebende Bibliothek­arin.

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