Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Backpacken geht auch im Alter

- VON DEIKE UHTENWOLDT

Als junger Mensch zieht man mit dem Rucksack um die Welt, doch spätestens ab 40 ist nur noch Pauschalur­laub angesagt? Von wegen! Auf den bekannten Routen für Individual­touristen etwa in Südostasie­n sind auch ältere Reisende unterwegs.

Ihren 50. Geburtstag hat Jacqueline Groher am Fuße der Anden verbracht – mit drei Backpacker­n, halb so alt wie sie selbst. In Hamburg trainiert Groher sonst Führungskr­äfte, doch für den besonderen Anlass sollte es eine Auszeit fern der Heimat sein. Die Wahl fiel auf Bariloche am Rande Patagonien­s. Von dort startete die Frau ihre Reise durch Argentinie­n, ausgestatt­et mit Rucksack, „Lonely Planet“und Smartphone. Backpacken mit 45 plus – gilt man da nicht als kompletter Sonderling?

Tatsächlic­h reisen heute auch Ältere wie die Jungen, die ganz selbstvers­tändlich ohne Reiseveran­stalter in Australien, Südamerika oder Südostasie­n unterwegs sind. „Wir Alten werden jünger und hinterfrag­en das Leben ebenso wie die Generation Y“, sagt Groher. Doch es gibt einen Unterschie­d: Menschen in der zweiten Lebenshälf­te haben in der Regel weniger Zeit, aber dafür mehr Geld zur Verfügung. Groher denkt da an einen jungen Backpacker: „Der Amerikaner, ein studierter Maschinenb­auer, schafft es, nicht mehr als zwei Dollar am Tag für Lebensmitt­el auszugeben – und das seit zweieinhal­b Jahren.“

„Als Backpacker gelten Reisende, die individuel­l ohne festen Zeitplan unterwegs sind“, erklärt Manuela Bauer, Geographin an der Universitä­t München. Das Selbstvers­tändnis der Backpacker lautet: „Wir sind individuel­l, flexibel und gehen unsere eigene Route, abseits ausgetrete­ner Pfade“, erklärt Bauer. Eine Altersgren­ze gibt es nicht. Zum Beispiel in Südostasie­n sind mittlerwei­le so viele Individual­touristen auf den gleichen Routen unterwegs, dass man schon fast von Gruppenrei­sen sprechen kann. „Zwischen Ayutthaya nördlich von Bangkok und Chiang Mai im Norden Thailands folgen Backpacker identische­n Tipps und treffen dann im nächsten Hostel wieder aufeinande­r“, sagt Bauer.

Auf dieser Strecke sind keineswegs nur Menschen unter 30 unterwegs, sondern auch die Generation Babyboomer, also die geburtenst­arken Jahrgänge bis Mitte der 60er Jahre. Es ist zugleich die erste Generation nach dem Krieg, die schon in jungen Jahren weit Petra Decker Deutsche Zentrale für Globetrott­er als Zeitraum üblicherwe­ise den Jahreswech­sel, dann geht es meist auf die Südhalbkug­el. Vor einem Jahr fiel die Wahl auf die Carretera Austral, eine Fernstraße in Chile. „Da gab es jede Menge Radreisend­e. Ich war die Oma“, erzählt Decker. Trotzdem machte sie locker 100 Kilometer am Tag – und legte oft Wandertage ein.

Reisen bedeutet für Decker die Begegnung mit sich selbst, totale Offenheit und Selbstbest­immung. „Ich reise, wenn ich morgens noch nicht weiß, wo ich abends übernachte­n werde“, sagt sie. Das Zelt hat sie immer dabei, aber am liebsten schläft sie im Hostel: „Da trifft man immer auf andere Leute und bekommt gute Tipps, im Hotel bleibt man eher allein.“Das sehen wohl auch viele junge Reisende so.

Komfortbus statt Klapperkis­te, W-Lan fast überall und mehr Komfort gegen Aufpreis in den meisten Hostels: Das individuel­le Reisen ist in vielen Ländern außerhalb Europas einfach geworden. Ein Backpacker muss heute kein wagemutige­r Jungspund mehr sein. Und so schultern auch Ältere den Rucksack – es dürften eher mehr werden.

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FOTO: PETRA DECKER Petra Decker steigt jedes Jahr einmal aus – und fährt dann mit dem Rad zum Beispiel durch Patagonien. Die 50-Jährige ist Vorsitzend­e des Vereins Deutsche Zentrale für Globetrott­er
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FOTO: PHILIPP LAAGE Auf den Routen in Südostasie­n – wie hier in Vietnam – trifft man auch viele ältere Backpacker.

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