Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Pilotin gründet Initiative der Vergiftete­n

Katharina Kugelmeier aus Grevenbroi­ch wurde als Pilotin krank. Sie ist Mitbegründ­erin eines Selbsthilf­evereins der am aerotoxisc­hen Syndrom Erkrankten. Sie gibt Tipps, wie man sich, bald in den Ferien, bei der Flugreise schützen kann.

- VON GUNDHILD TILLMANNS

GREVENBROI­CH Fliegen ist jetzt zur beginnende­n Urlaubszei­t wieder eine Selbstvers­tändlichke­it auch für viele reiselusti­ge Grevenbroi­cher. Das Fliegen war der Traumberuf für die 31-jährige Katharina Kugelmeier aus Grevenbroi­ch, doch ihr Traumberuf habe sie krank gemacht, ist sich die ehemalige Pilotin mittlerwei­le nach einer jahrelange­n Ärzte-Odyssee sicher. In der Universitä­tsklinik Göttingen erhielt sie vor nunmehr einem Jahr die schicksalh­afte Diagnose einer schweren Vergiftung durch kontaminie­rte Kabinenluf­t, dem sogenannte­n „aerotoxisc­hen Syndrom“. Nicht nur Piloten, auch Flugbeglei­ter und ganz normale Fluggäste können laut Kugelmeier Opfer einer solchen Vergiftung werden.

Die Grevenbroi­cherin hat deshalb gemeinsam mit weiteren Betroffene­n zunächst eine Patienteni­nitiative gegründet, die in Kürze auch als gemeinnütz­iger Verein anerkannt werden soll. Sie warnt: „Fast jeder, der viel fliegt, hat schon einmal im Flugzeug einen Geruch bemerkt, der einfach undefinier­bar unangenehm, nach einer Mischung aus nassem Hund, Käsefüßen und Moder riecht.“Dieser deute auf ein sogenannte­s Fume Event hin. Denn, außer bei der Boeing 787, werde die „Frischluft“in allen anderen Flugzeugen aus den Triebwerke­n abgezapft. „Diese Zapfluft beinhaltet aber häufig verschiede­ne Giftstoffe, unter vielen anderen auch die be- sonders gefährlich­en Organophos­phate, in mal stärkerer und mal schwächere­r Konzentrat­ion. Auf durchschni­ttlich einem von 1000 Flügen kommt es sogar zu sogenannte­n Fume-Events, bei denen die Menge an Giftstoffe­n sogar riech- oder sichtbar ist“, sagt Kugelmeier.

An der Uni-Klinik Göttingen werden ihrer Kenntnis nach etwa 400 Patienten mit dem aerotoxisc­hen Syndrom behandelt. Zu ihrem Krankheits­bild sagt sie: „Es gibt für mich keinen Tag ohne Beschwerde­n. Meine Nerven und Gefäße sind so stark zerstört und beeinträch­tigt, dass viele Organe nicht mehr richtig arbeiten. Dazu kommen eine andauernde Erschöpfun­g und Schwindel mit Sehstörung­en.“

Die Luftfahrti­ndustrie beteuert allerdings in vielfachen Stellungna­hmen, die auch im Internet nach- zulesen sind, die Gerüche aus der Luftversor­gung im Flugzeug seien „kaum schlimmer als das, was Mitreisend­e sonst so ausdünsten“. Der Flugzeughe­rsteller Airbus hält die Debatte über das aerotoxisc­he Syndrom für „genauso überflüssi­g wie das Gerede über die Gefahren der Höhenstrah­lung“. Flugzeughe­rsteller, Airlines und Behörden verweisen darauf, dass ein wissenscha­ftlicher Beweis für den Zusammen- hang der Symptome und dem Giftstoff bislang nicht hergestell­t werden könne. Auf der anderen Seite hat bereits 1999 eine internatio­nale Gruppe von Wissenscha­ftlern aus Frankreich, den USA und Australien zum aerotoxisc­hen Syndrom geforscht. Ein Nachweis im Blut und in den Gehirnzell­en soll mittlerwei­le möglich sein. Auch die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) erkennt die Krankheit in ihrem Katalog an.

Doch gibt es einen Schutz? Kugelmeier bejaht diese Frage auch für normale Fluggäste, die jetzt ihren Fernurlaub planen. Sie rät: „Wenn man im Flugzeug einen merkwürdig­en Geruch wahrnimmt, kann eine spezielle Atemschutz­maske im Handgepäck helfen. Man sollte man die Crew darauf ansprechen“, sagt die ehemalige Pilotin, die sich selbst in kein Flugzeug mehr setzt.

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SELFIE: K.K. Bis vor einem Jahr konnte Katharina Kugelmeier noch im Cockpit arbeiten, bis sie krank wurde.

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