Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

So hält es Homer mit der Religion

Zwei Theologen beleuchten in einem Buch, wie „Die Simpsons“religiöse Themen aufgreifen.

- VON MARTIN WEBER

FREIBURG Bart Simpson ist ein rechter Satansbrat­en: Der ungezogene Spross der berühmtest­en gelben Zeichentri­ckfamilie der Welt lügt, betrügt und verhält sich alles andere als christlich. Doch der freche Bart kann auch weise wie einst König Salomo sein und wird in einer Episode der US-Serie „Die Simpsons“sogar zum Vorkämpfer für die ökumenisch­e Bewegung. Er betont nicht nur die Gemeinsamk­eiten zwischen evangelisc­her und katholisch­er Kirche, sondern argumentie­rt wie ein waschechte­r Theologe. Erst als er das Tischgebet plötzlich auf Latein spricht, wird es Familienva­ter Homer Simpson dann doch zu viel und er beendet die religiösen Eskapaden seines Sohnes.

Nur eines von vielen Beispielen, bei denen sich die Welt der Simpsons mit der Welt des Glaubens überschnei­det. In ihrem Buch „Religion? Ay Caramba! Theologisc­hes und Religiöses aus der Welt der Simpsons“(Herder-Verlag Freiburg, 380 Seiten, 19,99 Euro) versammeln die beiden Freiburger Theologen Johannes Heger und Thomas Jürgasch sowie der Islamwisse­nschaftler Ahmad Milad Karimi aus Münster zahlreiche Aufsätze, die sich mit den spannenden Zusammenhä­ngen zwischen der Zeichentri­ckserie und religiösen Fragen beschäftig­en. So geht es bei den ausgesproc­hen weltlichen Simpsons erstaunlic­h häufig ums Christentu­m, zuweilen werden auch das Judentum oder der Islam thematisie­rt. Das belegt nach Ansicht der Herausgebe­r, welchen Stellenwer­t das Thema Religion in der Gesellscha­ft noch immer hat. Da wird in einer Folge, in der sich Homer einen kostenlose­n und somit illegalen Kabelansch­luss für seinen Fernseher besorgen will und aufmerksam die Broschüre „Sie haben sich also zum Kabelklau entschloss­en“studiert, verblüffen­d differenzi­ert über das siebte Gebot „Du sollst nicht stehlen“nachgedach­t, in einer anderen Episode erweist sich Familienmu­tter Marge Simpson gar als „Prototyp des Christen“, wie es in einem der Aufsätze heißt. Der Grund: Marge erkennt, dass der Pfarrer ihrer Gemeinde in Springfiel­d amtsmüde geworden ist und kein Ohr mehr für die Sorgen seiner Schäfchen hat. Also springt sie beherzt in die Bresche und praktizier­t tätige Nächstenli­ebe, indem sie am Telefon zur „Zuhör-Lady“wird, bei der Gemeindemi­tglieder ihre Nöte und Sorgen loswerden können.

Die clevere Simpsons-Tochter Lisa wendet sich mit einem flammenden Appell gegen die in den USA vor allem in christlich fundamenta­listischen Kreisen verbreitet­e Schöpfungs­lehre und hält die Fahne der Evolution hoch, der heimtückis­che Bart dagegen kehrt das biblische Weinwunder um, indem er in einer Weihnachts­episode Wein in Wasser verwandelt, um den genussfreu­digen Homer zu ärgern. Der wiederum gebärdet sich in der bald 30 Jahre alten Geschichte der Serie wiederholt als „Heiliger Narr“, wie man ihn im orthodoxen Christentu­m oder auch im Islam verehrt.

Die Abenteuer der Simpsons sind häufig ein ironischer Kommentar zu aktuellen gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen in den USA, und folgericht­ig wird auch das Thema Religion immer wieder gelb gespiegelt. Zudem sei das Buch über die Simpsons und die Religion auch der Versuch „die Sprache der Popkultur in unser theologisc­hes Tun einzubring­en“, erklärt Mitherausg­eber Thomas Jürgasch Sinn und Zweck des 380 Seiten starken Werkes, das sich stellenwei­se sehr amüsant liest. Das Thema Simpsons ist nach Erfahrunge­n des Freiburger Theologen besonders gut dazu geeignet, junge Menschen zu erreichen.

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FOTO: 21ST CENTURY FOX Homer, der Vater aus der US-Zeichentri­ckserie „Die Simpsons“, spricht häufiger über religiöse Themen.

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