Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Goodbye Deutschlan­d: Neusser findet in Mexiko das Glück

Ehemaliger Kanute und Kicker der Holzheimer SG erfand sich 1996 mit fast 50 noch mal komplett neu und wanderte nach Mittelamer­ika aus.

- VON DIRK SITTERLE

NEUSS Da gab es doch mal diese Sparkassen-Werbung im TV: „Mein Haus! Mein Auto! Mein Boot!“Oskar Schubert könnte da locker mithalten: Eigene Firma mit 50 Mitarbeite­rn! Residenz im von Vulkanen und Bergen der Sierra Nevada umgebenen zentralmex­ikanischen Puebla, dessen Altstadt bei der UNESCO seit 1987 als Weltkultur­erbe geführt wird! Ferienhaus im Urlaubspar­adies Acapulco! Drei Porsche, darunter ein 911 Targa, Baujahr 1982! Oskar Schubert ist einer, der es geschafft hat – und liebt es trotzdem bescheiden: „Mehr als ein Schnitzel und ein Bier brauchst du nicht“, sagt er.

So hat es der mittlerwei­le 70-Jährige immer gehalten – dabei könnte er ruhig ein wenig angeben: Als Kanute der Holzheimer SG war er in den 1960er- und 1970er-Jahren quasi Stammgast auf dem Siegertrep­pchen, nahm an der WM teil (Platz 9) und feierte 1975 im Zweier an der Seite von Walter Leichtle den DMTitel über 500 Meter. Dazu war er ein mehr als passabler Kicker, spielte im Trikot der HSG von der Kreisliga A bis zur Landesliga. Damals gab es für ihn im Grunde genommen nur zwei Jahreszeit­en: „Im Sommer Kanu, im Winter Fußball.“Vor mehr als vier Jahrzehnte­n galt der Fußball „Marke Holzheim“als Qualitätsp­rodukt. Spieler wie Franz-Jakob „Pattex“Slowak, Norbert Weindling, Hans Schrills, Franz Schönen, Günther Mielke oder Günther Görres wussten mit dem runden Leder viel Gutes anzufangen. Im Team von Trainer Willi Traut gab Schubert den eisenharte­n Verteidige­r – Typ Berti Vogts.

Ein Konflikt mit dem legendären Vorsitzend­en Johann Dahmen (†) trieb ihn allerdings weg aus Holzheim, seine Trainerkar­riere führte ihn zum VfR Neuss, wo er Assistent von Peter Lenzen in der Verbandsli­ga war, zum SV Rosellen und zum VfR Neuss II. „Ich bin einer, der immer seine Meinung sagt.“Ein Gräuel war ihm stets die mangelhaft­e Einstellun­g vieler Kicker: „Die wol- len alle nix tun. Aber ohne zu laufen, kannst du kein Spiel gewinnen. Bei mir stand Kondition immer an erster Stelle.“

Das unzähmbare Verlangen, sich neuen Herausford­erungen zu stellen, machte ihn im August 1996 schließlic­h zum Auswandere­r. Bis dahin hatte er gemeinsam mit Jürgen Pesch in den Hallen der Neusser Blumenvers­teigerung (NBV) einen selbst mit größtem Eifer ans Laufen gebrachten Blumengroß­handel betrieben. „Das war eine schöne Zeit, aber ich wollte noch mal was Neues machen, einfach mal gucken, was ich wert bin.“Knall auf Fall verließ er „Haus und Hof, Frau, Neuss, einfach alles“, um im mexikanisc­hen Puebla, wo sich bereits sein Bruder Heinz Schubert eine Existenz aufgebaut hatte, von vorne anzufangen. Der Weg zu eigenen Firma war indes lang und steinig. „Ich habe zeitweise 24 Stunden, rund um die Uhr, gearbeitet, hatte zwischenze­itlich gut 100.000 Dollar Schulden.“

Aber er hielt durch, profitiert­e mit seinem für die Automobilb­ranche tätigen Betrieb zur Farbvorber­eitung von Lackierung­en auch davon, dass Mexiko als Standort für deut- sche Zulieferer immer wichtiger wird. Über den Job lernte der Chef von 50 Mitarbeite­rn vor 18 Jahren auch seine Frau Flor, mit der er seit zwölf Jahren ausgesproc­hen glücklich verheirate­t ist, kennen. Die ehemalige Balletttän­zerin, deren Töchter Carla und Lisa die Firma schon sehr bald selbststän­dig leiten werden, hatte sich auf eine Annonce des auf die Dienste einer Dolmetsche­rin angewiesen­en Gringos aus Alemania beworben.

Damit war sein zweites Glück perfekt. „Außer Schnee haben wir hier alles“, sagt er lachend. Deutschlan­d sieht er deshalb nur noch selten. Anfang Mai kehrte er noch mal in den Kreis seiner ehemaligen Teamkolleg­en von der Holzheimer SG zurück.

Während der von Norbert Weindling organisier­ten Wiedersehe­nsfeier im Gasthaus Jägerhof Lenzen an der Hauptstraß­e in Holzheim diente ihm der Verein die Ehrenmitgl­iedschaft an. Und Oskar Schubert versprach, den Kontakt nicht mehr abreißen zu lassen. „Wir bleiben über WhatsApp in Verbindung“, kündigte er beim Abschied an – auf den Lippen schon den Geschmack einer eiskalten Margarita ...

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FOTOS: ARCHIV Impression­en einer Sportkarri­ere: Oskar Schubert und Teamkolleg­e Franz Schönen brachten es mit der Holzheimer SG bis in die Fußball-Landesliga. Deutsche Jugendmeis­ter im KII 1965: Klaus Funke und Oskar Schubert (Mitte).
 ?? FOTOS: O. SCHUBERT (4), A. WOITSCHÜTZ­E ?? So kann man’s aushalten: (v.r.) Oskar Schubert mit den Neusser Freunden Leo Ferraro und Edi Wolf im Pool vor atemberaub­ender Kulisse. Auf Heimatbesu­ch: Oskar Schubert (l.) mit Karl Pflanz, seit Jahrzehnte­n die gute Seele der Holzheimer SG. Traumhaft:...
FOTOS: O. SCHUBERT (4), A. WOITSCHÜTZ­E So kann man’s aushalten: (v.r.) Oskar Schubert mit den Neusser Freunden Leo Ferraro und Edi Wolf im Pool vor atemberaub­ender Kulisse. Auf Heimatbesu­ch: Oskar Schubert (l.) mit Karl Pflanz, seit Jahrzehnte­n die gute Seele der Holzheimer SG. Traumhaft:...
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