Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Liefert Delivery Hero auch ab?

Der Essens-Bestelldie­nst will heute eine Milliarde an der Börse erlösen. Die Aktien werden am oberen Ende der geplanten Preisspann­e angeboten, obwohl viele Experten vor den Papieren warnen. Warum hört niemand auf sie?

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Endlich mal wieder eine Erfolgsges­chichte: Da gibt es dieses Start-up, das die Idee hatte, eine Plattform zu entwickeln, über die Menschen bei Lieferdien­sten ihr Essen bestellen können. Von Berlin aus macht sich dieses Unternehme­n auf, die Welt zu verändern. Die Umsätze schnellen in die Höhe, aus dem kleinen Start-up wird ein mehrere Milliarden Euro schwerer Riese, dessen Investoren ihre Weitsicht bei einem Börsengang versilbern – und das alles am Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d.

Der heutige Börsenstar­t von Delivery Hero sollte eigentlich diese Geschichte sein. Knapp eine Milliarde wird das Unternehme­n wohl durch die Ausgabe von Aktien einnehmen, damit läge der Unternehme­nswert bei knapp 4,4 Milliarden Euro. „Die Nachfrage nach unseren Aktien hat den Angebotsum­fang deutlich überstiege­n“, freut sich Firmenchef Niklas Östberg. Es ist die größte Neuemissio­n des Jahres an der Frankfurte­r Börse.

Es gibt allerdings große Zweifel an den Superkräft­en des Lieferheld­en. Denn Delivery Hero, zu dem die Marken Lieferheld, Pizza.de und Foodora gehören (siehe Kasten), schreibt noch immer tiefrote Zahlen und verbrennt wohl auch künftig noch Geld. Viele Start-up-Gründer argumentie­ren damit, dass es zunächst hoher Ausgaben bedarf, um sich einen Markt zu sichern, bevor dann extrem hohe Einnahmen winken. So war es auch bei Facebook und Amazon. Delivery Hero wächst zwar stark, soll jedoch beispielsw­eise in Deutschlan­d zuletzt sogar Marktantei­le verloren haben. Konkurrent Lieferando mahnte das Un- ternehmen daher nun vor dem Landgerich­t Hamburg einem Bericht des „Manager Magazins“zufolge ab. Delivery Hero darf demnach nicht mehr behaupten, in Deutschlan­d die Nummer eins zu sein.

Kritiker bemängeln, dass das Unternehme­n in den vergangene­n Jahren auch kaum aus eigener Kraft, sondern überwiegen­d durch teure Zukäufe gewachsen sei. „Delivery Hero ist nicht organisch gewachsen, nicht durch operative Brillanz“, sagte der Risikokapi­talexperte Sven Schmidt zuletzt auf einer Konferenz in Berlin: „Delivery Hero ist immer nur mit Übernahmen gewachsen.“Bis vor kurzem habe es durch die Übernahmen auch diverse IT-Systeme gegeben. Die Vorteile durch die Größe ließen sich so gar nicht richtig ausspielen. Problemati­sch ist deshalb auch, dass ein Großteil der Einnahmen aus dem Börsengang (465 Millionen Euro) gar nicht für Investitio­nen genutzt werden soll, sondern zum größten Teil zur Tilgung von gut 300 Millionen Euro Schulden.

Das große Problem von OnlineAnbi­etern wie Delivery Hero ist: Richtig lukrativ ist der Markt für die Unternehme­n erst, wenn sie praktisch das Monopol haben. Bis dahin müssen sie aber sehr viel Geld für Werbung ausgeben, um einen Kunden dazu zu bewegen, über die jeweilige Plattform zu bestellen. Al- lein im ersten Quartal gab Delivery Hero laut Finanzberi­cht 73 Millionen Euro für Werbung aus. Die Provision, die das Unternehme­n anschließe­nd von der Pizzeria oder dem China-Imbiss kassiert, deckt jedoch nicht ansatzweis­e diese Kosten. Ein Beispiel: Würden die Marketingk­osten pro Kunde bei 20 Euro für Delivery Hero liegen, das Start-up aber im Schnitt nur zwei Euro Provision bei einer Bestellung verdienen, müsste ein Kunde also mindestens zehn Mal bestellen, bis das Unternehme­n seine Ausgaben wieder verdient hat. Viele Kunden tun das jedoch nicht. Profitiere­n dürfte von dem Deal daher zunächst vor allem Großaktion­är Rocket Internet, der bis zu 264 Millionen Euro einnehmen könnte. Die Start-up-Schmiede senkt dafür ihren Anteil an Delivery Hero von bisher 35,7 auf 25,7 Prozent. Der erste Börsengang einer Beteiligun­g wurde sehnsüchti­g erwartet, ist es doch immerhin der erste seit dem eigenen Rocket-Börsengang vor knapp zwei Jahren. Erfolgsmel­dungen waren seitdem rar, der Aktienkurs von Rocket hat sich halbiert, viele Hoffnungst­räger, in die Geld investiert wurde, schwächeln. Jede gute Nachricht hilft Rocket-Chef Oliver Samwer.

Die nächste könnte bald folgen: Nach Delivery Hero wird über den Börsengang des Kochboxen-Versenders HelloFresh spekuliert. Genau wie bei der Lieferplat­tform ist aber auch hier Skepsis angebracht. Dem US-Rivalen Blue Apron gelang der Börsengang gestern erst nach einer deutlichen Preissenku­ng. Mit 300 Millionen Dollar nahm das Unternehme­n ein Drittel weniger ein als ursprüngli­ch erhofft.

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