Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Vom Theaterreg­isseur zum Vizepräsid­enten

Mit großer Mehrheit haben die Abgeordnet­en des neuen NRWLandtag­s Oliver Keymis zum Landtagsvi­zepräsiden­ten gewählt.

- VON JULIA HAGENACKER

KAARST/KORSCHENBR­OICH Den Wähler nicht erreicht, Botschafte­n nicht vermittelt, krachend gescheiter­t: Nach sieben Jahren in der Regierungs­verantwort­ung und einem miserablen Ergebnis bei der Landtagswa­hl könnte bei einem NRWGrünen nur noch Frust übrig sein. Könnte sein, ist aber nicht so. Nicht bei Oliver Keymis.

Gelassen lehnt sich der Meerbusche­r in seinem Stuhl zurück, der an einem kleinen Besprechun­gstisch in einem mittelgroß­en Eckbüro im Landtagsge­bäude steht. Der Blick schweift von dort aus direkt übers Wasser, die Schiffe auf dem Rhein ziehen direkt unter den Füßen vorbei. „In einer Demokratie gehört der Wechsel nun einmal dazu“, sagt Keymis. „Und es war ja noch nicht einmal klar, ob wir überhaupt im Landtag vertreten sein werden.“Anfang des Jahres sagten die Umfragen irgendetwa­s um die fünf Prozent voraus. So gesehen haben die Grünen die Kurve gerade noch gekriegt. Keymis ist ein positiv denkender Mensch. Und er ruht in sich.

Seit elf Jahren belegt der 56-Jährige das Büro im Präsidialt­rakt des Landtags. Anfang Juni wurde er vom neuen Parlament mit großer Mehrheit erneut zum Vizepräsid­enten gewählt. Und das, obwohl die Grünen zahlenmäßi­g ab sofort die kleinste der fünf Fraktionen sind.

SPD, FDP und Grüne hatten sich zuvor darauf verständig­t, dass Präsident André Kuper (CDU) drei Stellvertr­eter bekommen soll. „Dahinter stand vor allem das Argument, dass ein personell verkleiner­ter Landtag nicht auf einmal noch einen Vizepräsid­enten mehr stellen kann“, sagt Keymis. „Das hätte niemand Oliver Keymis verstanden. Abgesehen davon liegt es allein in der Hand jedes Abgeordnet­en, wem er in geheimer Wahl seine Stimme gibt. Ein Anrecht einer bestimmten Fraktion auf einen Präsidente­nposten hat es nie gegeben – die Piraten haben mal versucht, das einzuklage­n, ohne Erfolg.“

Fakt ist: Keymis erhielt Anfang Juni 177 von 199 Stimmen. Den Lanker freut das, weil so viele Stimmen ja schon eine deutliche Sprache sprechen und die Grünen-Fraktion im NRW-Landtag derzeit nur noch aus 14 Abgeordnet­en besteht. „Wir haben uns mehr als halbiert, das heißt, wir müssen uns vollkommen neu ordnen und die Aufgaben neu verteilen“, sagt Keymis. Seine waren – neben dem Leiten von Parlaments­sitzungen und dem Repräsenti­eren als Vizepräsid­ent – bislang vor allem die Kultur- und die Verkehrspo­litik. „Ich kann mir gut vorstellen, dass das wieder so wird.“

Keymis’ Haltung zum Düsseldorf­er Flughafen ist deutlich. Er ist gegen „noch mehr Schmutz und noch mehr Lärm“, vor allen, aber nicht nur in der Nacht. „Da sind die Ausnahmen noch viel zu flexibel“, sagt er. Am Ende seien es die Menschen, die leiden – in Meerbusch sicher mehr als jenseits der Ein- und Abflugschn­eisen.

Oliver Keymis ist gerne Meerbusche­r. Vor Jahren hat er das Konzept für das Forum Wasserturm ausgearbei­tet, für dessen Verwirklic­hung gestritten und hartnäckig gegen die Zerstörung der Ilvericher Altrheinsc­hlinge durch den Bau der A 44 gekämpft. „So bin ich zur Politik gekommen“, sagt er. Seinen Lebensunte­rhalt verdiente er davor als Theaterreg­isseur. Heute ist er Landtagsvi­zepräsiden­t. Manchmal wundere ich mich schon über mich selber“, sagt Keymis. „Dass ich seit elf Jahren ein und denselben Job mache – aber er macht eben Spaß.“

„In einer Demokratie gehört der Wechsel nun einmal dazu“ Grünen-Landtagsab­geordneter

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