Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Italien ruft um Hilfe und legt Kodex für Seenotrett­er vor

- VON PHILIPP JACOBS

Eine junge Familie aus Syrien kurz nach ihrer Rettung. Sie musste 24 Stunden an Bord der „Iuventa“bleiben. Einsatzlei­ter Sascha Gierke (M.) und zweiter Steuermann Julian Koeberer (r.) halten Ausschau nach Booten in Seenot. Ein Holzboot auf dem offenen Meer – die Besatzung der „Iuventa“hat bereits Rettungswe­sten verteilt, nach vielen Stunden auf dem Wasser sind diese Menschen in Sicherheit. TALLINN Wenn sich heute und morgen die EU-Innenminis­ter im estnischen Tallinn treffen, geht es um nicht weniger als die Zukunft zahlreiche­r Flüchtling­e, die versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Italien ächzt, weil nahezu alle auf dem Meer aufgesamme­lten Flüchtling­e zur italienisc­hen Küste gebracht werden. Schon beim Brüsseler Gipfel Ende Juni sagte Italiens Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni seinen EU-Kollegen, dass die Kapazitäte­n seines Landes bald erschöpft seien.

Italiens Innenminis­ter Marco Minniti traf sich daher schon am Sonntag mit seinem deutschen Kollegen Thomas de Maizière, dem französisc­hen Innenminis­ter Gérard Collomb und EU-Flüchtling­skommissar Dimitris Avramopoul­os. Die vier erarbeitet­en einen Plan, mit dessen Hilfe Italien entlastet und der Andrang über das Mittelmeer eingedämmt werden soll. Die einzelnen Punkte werden heute und morgen in Tallinn beraten.

Im Kern sind es alte Forderunge­n: Die libysche Küstenwach­e soll schneller und besser ausgebilde­t werden, die Rückführun­g von Flüchtling­en muss effiziente­r ablaufen. Neu ist der Vorschlag, dass Italien für die Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs), die freiwillig Flüchtling­e aus dem Meer fischen, einen „Verhaltens­kodex“verfassen und auch dessen Einhaltung überwachen soll. Rom und die EUGrenzsch­utzagentur Frontex sehen die NGOs kritisch. Frontex beklagt einen „Pull-Factor“, den die freiwillig­en Helfer – willentlic­h oder nicht – auf Flüchtling­e in Nordafrika hätten. Viele der Verzweifel­ten würden die gefährlich­e Flucht mithilfe von Schleuserb­ooten vor allem deshalb antreten, weil sie wüssten, dass zahlreiche Hilfsorgan­isationen im Mittelmeer patrouilli­erten. Die NGOs halten dagegen: Ohne ihre Einsätze würden noch mehr Menschen ertrinken.

Der nun vorgeschla­gene Verhaltens­kodex erlaubt den Organisati­onen aber nur noch in Ausnahmesi­tuationen, in libysche Gewässer zu fahren. Die Arbeit der libyschen Küstenwach­e dürfe in deren Hoheitsgeb­iet nicht behindert werden, heißt es. Kontakte zwischen Rettern und Schleusern sind verboten. Flüchtling­e sollen künftig nur in Notfällen an Schiffe der italienisc­hen Küstenwach­e oder internatio­naler Missionen übergeben werden. An Bord der NGO-Schiffe müssen Fahnder der italienisc­hen Polizei mitfahren, sofern Ermittlung­en zu Schleusern dies notwendig machen. Wer den Kodex nicht unterzeich­net, könne künftig keine italienisc­hen Häfen mehr anlaufen. FOTOS: RITA GASPAR, TANJA KARRASCH (8) | GRAFIK: ZÖRNER

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