Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sagans Ausschluss spaltet den Radsport

Top-Favorit Froome fährt bei der ersten Bergankunf­t der 104. Tour de France ins Gelbe Trikot.

- VON DANIEL BRICKWEDDE

DÜSSELDORF Man würde gerne einmal in den Kopf von Peter Sagan gucken. In den Kopf jenes Mannes, der wie kein Zweiter derzeit den Radsport elektrisie­rt. Ein Mann, der zum Medienphän­omen wurde. Der aber auch unberechen­bar scheint und sich offenbar wenig darum schert, was andere von ihm denken. So zumindest ist der öffentlich­e Eindruck, den er häufig vermittelt. Ob authentisc­h oder inszeniert, bleibt dabei ein Geheimnis. Trotzdem wird er mit seinem Rockstar-Aussehen und seiner entspreche­nden Attitüde von der Szene geliebt und gefeiert, weil Typen jeder Sportart guttun – und gerade der Radsport einen Typen wie ihn brauchte.

Seit der vierten Etappe der 104. Tour de France hat dieses Everybody’s-Darling-Image allerdings einen erhebliche­n Dämpfer erhalten. Der zweimalige Weltmeiste­r wurde ausgeschlo­ssen, weil er Mark Cavendish, der sich die Schulter brach, absichtlic­h im Sprint bei mehr als 60 km/h mit dem Ellenbogen in die Absperrung drückte. So zumindest die Ansicht der Rennjury.

Dass er einen Fehler gemacht hatte, erkannte Sagan schnell. Er eilte zum Bus von Cavendishs Team Dimension Data und versuchte sich zu entschuldi­gen – erfolglos. Der Rennstall legte Protest ein, die Jury reagierte mit dem Ausschluss. Sagan beteuerte: „Mark kam von rechts, und ich wollte an das Hinterrad von Alexander Kristoff. Er kam sehr schnell von hinten und hat mich berührt. Ich hatte keine Zeit zu reagieren und es kam zum Sturz.“

Den Protest von Sagans deutschem Team Bora-hansgrohe, das mit einem Eilantrag auf eine einstweili­ge Verfügung erfolglos den internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS einschalte­te, lehnte die Jury ab. Sagans Aus ist ein Paukenschl­ag. Auch für seinen Rennstall, das mit ihm sportlich und medial glänzen wollte. Die dritte Etappe hatte Sagan ja gewonnen.

Dabei sind Entgleisun­gen im Sprint bei ihm keine Ausnahme. „Da fährt ein Typ im Weltmeiste­r-Trikot, der meint, er könne sich alles erlauben“, sagte André Greipel nach der Zielankunf­t. Auch er geriet mit Sagan aneinander, lehnte dessen Entschuldi­gung mit den Worten „du hast mich heute das zweite Mal beinahe gekillt“ab. Hinterher ruderte Greipel via Twitter zurück: „Manchmal sollte ich mir die Bilder ansehen, bevor ich rede. Entschuldi­gung an Peter Sagan – die Strafe ist zu hart.“Andere schlossen sich dieser Meinung an. BoraTeamch­ef Ralph Denk sprach von „einem Rennunfall. Es gab eine Berührung, Peter musste mit dem Bike balanciere­n, dafür braucht er seine Ellbogen. Das war kein Vorsatz.“

Sagan genießt unter den Sprintern zwar nicht das beste Image, schien allerdings Narrenfrei­heit in einem Sport zu haben, dessen größtes Aushängesc­hild er ist. Po-Kneifer bei Da- Peter Sagan men während Siegerehru­ngen, übertriebe­ne Jubelposen bei Erfolgen oder merkwürdig­e und despektier­liche Interviewa­uftritte: Kritische Stimmen begleitete­n den 27Jährigen, waren aber stets zu leise gegenüber der Geräuschku­lisse seiner Fans. Sein Gesamtpake­t machte ihn zum Superstar des Sports.

Nun aber könnte seine unbekümmer­te Fassade Kratzer bekommen. Der Hype um ihn wird nicht abnehmen, aber um eine unerwünsch­te Nebenersch­einung ergänzt werden. Zumindest verabschie­de sich Sagan mit Stil. „Es tut mir leid, dass Mark Cavendish zu Fall gekommen ist und sich verletzt hat. Ich hoffe, dass er schnell gesund wird. Ich habe aber nichts falsch gemacht. Ich bin gegen die Entscheidu­ng der Jury, aber ich akzeptiere sie“, sagte er.

Bei der ersten Bergankunf­t löste Topfavorit Christophe­r Froome seinen Teamgefähr­ten Geraint Thomas als Gesamtführ­enden ab. Als stärkste Widersache­r zeigten sich Etappensie­ger Fabio Aru (Italien), der 2,5 Kilometer vor dem Ziel attackiert­e, und der Australier Richie Porte, der zeitgleich mit Froome als Vierter ins Ziel kam.

„Ich bin gegen die Entscheidu­ng der Jury, aber ich akzeptiere sie“ Rad-Weltmeiste­r

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