Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit dem Stadtarchi­v zum Landessieg

Mit einem fiktiven Tagebuch von Kardinal Josef Frings und einer Studie zur jüdischen Gemeinde in Neuss erregten gleich zwei Arbeiten zum Geschichts­wettbewerb des Bundespräs­identen Aufsehen. Sie wurden vom Archiv begleitet.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Was mag der Kardinal gedacht haben, damals, als er im Hungerwint­er 1946 seine Silvesterp­redigt hielt? Oder als die ersten Reaktionen auf seine „Erlaubnis“zum „fringsen“bekannt wurden? Dass sich der Erzbischof Josef Kardinal Frings in seinen Memoiren dazu selbst nicht äußert, beflügelte die Fantasie von Ananda Steinmetz, die dem ehemaligen Kölner Oberhirten nun ein fiktives Tagebuch „untergesch­oben“hat. Eine Beschäftig­ung mit einem historisch­en Stoff, die Stadtarchi­var Jens Metzdorf als „sehr kreativ und sehr reflektier­t“bezeichnet, und die auch die Experten in der Jury des Geschichts­wettbewerb­s überzeugte, die der Bundespräs­ident ale zwei Jahre auslobt. Ihr Urteil: der Landessieg.

Zur Siegerehru­ng am Montag in Bonn reiste die Neuntkläss­lerin vom Gymnasium Marienberg aber nicht alleine. Auch die Zehntkläss­ler Henrike Edler (Marienberg) und Jennifer Stadtfelde­r (Realschule Holzheim) wurden als Landessieg­er ausgezeich­net. Die „schon ewig allerbeste­n Freundinne­n“(Edler) hatten „Auf den Spuren des jüdischen Lebens in Neuss“, so der Titel ihrer Arbeit, in Archiven geforscht. Neben einem Porträt des letzten jüdischen Kantors, Benno Nußbaum, kam dabei eine vergleiche­nde Studie über die Veränderun­gen im alltäglich­en Leben der Synagogeng­emeinde im Neuss des 20. Jahrhunder­ts zustande. In der Zeit der Weimarer Repu- blik (1919-1933), fasst Henrike Edler zusammen, war die Gemeinde in Neuss voll integriert – was sie nur wenige Jahre später im Nationalso­zialistisc­hen Deutschlan­d nicht vor Ausgrenzun­g und Vernichtun­g schützte.

Dieses klassische Beispiel einer „Ausgrenzun­g durch Religion“, wie es Metzdorf formuliert, fand nicht nur er passend für das Oberthema des Geschichts­wettbewerb­s: „Glaube und die Welt – Religion macht Geschichte“. Auch die Jury lobt die gelungene thematisch­e Eingrenzun­g der Arbeit, die – wie die von Ananda Steinmetz – nun der Jury vorgelegt wird, die über die Vergabe eines Bundesprei­ses zu entscheide­n hat. Aber ein Landessieg, warnte Metzdorf vor allzu großen Erwartunge­n, sei normalerwe­ise das Äußerste dessen, was zu erreichen ist.

Den Geschichts­wettbewerb des Bundespräs­identen gibt es seit gut 40 Jahren, doch erst seit etwa 15 Jahren bietet das Stadtarchi­v interessie­rten Schülern breitere Unterstütz­ung an. Das sei Teil des Bildungsau­ftrages, wie ihn das Haus heute lebt, sagt Metzdorf. Den Kontakt zu den Schulen hält dabei Annekatrin Schaller, die die Jugendlich­en in dem halben Jahr, in dem sie neben der Schule an ihrem Wettbewerb­sbeitrag arbeiten, unterstütz­t. Das Archiv mache Themenvors­chläge, und stelle Material zur Verfügung, sagt Schaller, die Feuer und Flamme für den Wettbewerb ist. „Wir arbeiten mit Originalqu­ellen“, sagt sie, „und vermitteln so, dass Geschichte gemacht wird.“Preise zu erringen, sei nicht das Wichtigste, sagte Metzdorf in Richtung der Siegerinne­n: „Wichtig ist, trotz Durststrec­ken und Krisen am Ende anzukommen“– und die Arbeit abzuschlie­ßen.

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FOTO: STADT NEUSS Annekatrin Schaller (l.) und Stadtarchi­var Jens Metzdorf (r.) mit den Landessieg­erinnen (v.l.) Ananda Steinmetz, Jennifer Stadtfelde­r und , Henrike Edler.

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