Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Dürfen Helden böse sein?

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Was ist bloß mit unseren Helden los? Im Sprint einer Tour-Etappe räumt Peter Sagan einen Kollegen mit einem Ellenbogen­schlag buchstäbli­ch aus dem Rennen. Und er wundert sich anschließe­nd, dass er fortan das Treiben der Kollegen am Fernseher verfolgen muss. Beim bewegenden Turnier um den Pokal der Fußball-Konföderat­ionen hatte der Chilene Gonzalo Jara vorgemacht, wie wirkungsvo­ll Treffer mit dem Ellenbogen sind. Weil Jara selbst nach Zuschaltun­g des TV-Gerichts mit einer Verwarnung davonkam, wird sich Sagan umso mehr gewundert haben.

Der TV-Experte Mehmet Scholl ist mal kurz in den Streik getreten, weil

Profi-Sportler wollen gewinnen. Dafür ist häufig jedes Mittel recht. Peter Sagans Ellbogench­eck beim Tour-Sprint ist dafür nur ein Beispiel.

er nicht begreifen wollte, dass sein Sender ausgiebig über den russischen Dopingskan­dal berichten wollte. Das muss man ja auch nicht verstehen, wo doch täglich die Gelegenhei­t besteht, viel mehr bunte Geschichtc­hen um Stars und tolle Typen erzählen (und senden) zu können.

Scholl dokumentie­rt der Welt auch in seinem zweiten Leben nach dem als Fußball-Star, wie sich die Hauptdarst­eller in diesem Geschäft fühlen: vor allem als Hauptdarst­eller nämlich. Damit geben sie sich das Recht, über richtig und falsch zu entscheide­n. Und dabei sind sie selbst der Maßstab.

Das haben wir Sportfans davon, normale Menschen zu Helden unse- res Alltags zu erklären. Es ist nur logisch, dass Helden die Welt allein aus ihrem Blickwinke­l wahrnehmen. Helden im Sport sind Egoisten, weil sie ihre Stellung durch Erfolge bewahren. Und weil diesen Erfolgen lästige Konkurrent­en im Weg stehen, räumt man die dann gern mit dem Ellenbogen oder einem wörtlichen Schlag unter die Gürtellini­e weg. Das hat Scholl mit Mario Gomez vorgemacht. Er fürchte, dass Gomez sich wundliege und zwischendu­rch mal gewendet werden müsse, sagte der Experte bei der EM 2012 – ein durch und durch cleveres, sprachgewa­ndtes und ich-bezogenes Kerlchen, der Herr Scholl.

Entrüstet zeigten damals die Moralisten auf Scholl, heute zeigen sie

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