Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein König ohne Reich

Der zweimalige Formel-1-Weltmeiste­r Fernando Alonso fährt auch im dritten Jahr im McLaren-Honda hinterher.

- VON ECKHARD CZEKALLA

SPIELBERG/DÜSSELDORF An Selbstbewu­sstsein hat es Formel-1-Fahrer Fernando Alonso nie gemangelt. Zweimal war er Weltmeiste­r, als er die Ära von Michael Schumacher und Ferrari beendete und mit Renault den Titel holte (2005, 2006). Für viele ist er noch immer einer der Topfahrer, mindestens auf Augenhöhe mit Lewis Hamilton und Sebastian Vettel. „Es gab nie einen besseren Alonso als jetzt“, teilte er nach dem Rennen vor knapp zwei Wochen in Baku mit. Da war Alonso Neunter geworden und hatte sich zwei Punkte in der WM-Wertung erkämpft. Er habe in den vergangene­n Jahren seine Fähigkeite­n verfeinert, und „ich weiß, dass ich es noch kann“, betrieb der bald 36-Jährige kräftig Eigenwerbu­ng.

Alonsos Pech: Während Mercedes-Fahrer Hamilton – der beim Freitag-Training zum Grand Prix von Österreich in Spielberg (morgen, 14Uhr, RTL) zweimal die Bestzeit erzielte, bevor er wegen regelwidri­gen Getriebewe­chsels für die Startaufst­ellung fürs Rennen eine Strafverse­tzung um fünf Plätze kassierte – und Ferrari-Fahrer Vettel um den Titel kämpfen, fährt der Asturier meistens hinterher. Wenn sein McLaren-Honda ihn überhaupt bis ins Ziel trägt. Alonso bekommt brutal zu spüren, dass ein Rennfahrer ohne ein starkes Auto nicht konkurrenz­fähig ist. Der Spanier ähnelt einem König ohne Reich.

Dabei waren die Hoffnungen groß, als Alonso zur Saison 2015 von Ferrari zu McLaren wechselte. Erinnerung­en an die Zeit der Zusammenar­beit lebten auf, als McLaren und Honda von 1988 bis 1992 durch Ayrton Senna (3) und Alain Prost (1) die WM-Titel bei den Fahrern und den Konstrukte­uren holten und das Team die Königsklas­se dominierte. Doch die Realität sah anders aus. Hondas Motor war und ist nicht nur schwach, er war und ist auch anfällig. 90 PS sollen der aktuellen Version zu den Mitbewerbe­rn fehlen – Welten im PS-Zirkus.

„Wir wollten Weltmeiste­r werden. Nach drei Jahren müssen wir sagen, dass wir das Ziel verfehlt haben. Wenn man nicht erkennen kann, dass sich Dinge zum Positiven ver- ändern, muss man sich vielleicht ein anderes Projekt suchen“, sagte Alonso im Juni nach dem Rennen in Montreal. Alonso will Rennen fahren mit der Aussicht, sie gewinnen zu können. Zuletzt gelang ihm das am 12. Mai 2013 in Barcelona. Mit Honda sieht er dieses Ziel gefährdet. „Heute hätten wir aufs Podium fahren oder sogar gewinnen können“, sagte er nach dem WM-Lauf in Aserbaidsc­han. Deutliche Kritik am Motorenlie­feranten aus Japan. Der musste sich schon so manches bitterböse Wort von Alonso gefallen lassen wie die Bezeichnun­g „Bobbycar“für den Formel-1-Wagen.

Als er in Montreal ausgefalle­n war, kletterte der Spanier auf die Tribüne und mischte sich unter die Fans. Gut in Erinnerung sind zwei Aktionen beim Saisonfina­le 2015 in Sao Paulo. Nachdem er sein Auto bereits im ersten Durchgang des Qualifying­s hatte abstellen müssen, setzte sich Alonso auf einen Campingstu­hl und sah seinen Kollegen zu. Zurück im Fahrerlage­r sprang er mit seinem damaligen, ebenfalls ausgeschie­denen Teamkolleg­en Jenson Button auf das nahe Siegerpode­st, und die beiden ließen sich feiern – Selbstiron­ie der besten Art.

Alonso ist überzeugt, 2018 wieder vorne mitfahren zu können. Bei Mercedes, Ferrari und Red Bull beteuern die Verantwort­lichen, kein Interesse zu haben. Er sei nicht masochisti­sch genug, wird MercedesTe­amchef Toto Wolff zitiert. Alonso gilt als nicht einfache Persönlich­keit. Im Oktober will er seinen weiteren Weg verraten. Der muss nicht zwingend in der Formel 1 liegen. In diesem Jahr verzichtet­e Alonso auf den Klassiker in Monte Carlo, zog den Einsatz auf einem Ovalkurs bei den 500 Meilen von Indianapol­is vor. Dort fuhr er vorne mit – bis der Honda-Motor den Geist aufgab.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Nachdem er im Qualifying beim Saisonfina­le 2015 in Sao Paulo (Brasilien) einmal mehr wegen eines technische­n Defekts am McLaren-Hondaaufge­ben musste, verfolgte Fernando Alonso das Treiben seiner Arbeitskol­legen in einem Campingstu­hl sitzend.
FOTO: IMAGO Nachdem er im Qualifying beim Saisonfina­le 2015 in Sao Paulo (Brasilien) einmal mehr wegen eines technische­n Defekts am McLaren-Hondaaufge­ben musste, verfolgte Fernando Alonso das Treiben seiner Arbeitskol­legen in einem Campingstu­hl sitzend.

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