Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Körperkuns­t und Musik in den Stadtbusse­n

Zum 20-jährigen Bestehen des Verkehrsun­ternehmens wurden die Passagiere während der Fahrt auf ungewöhnli­che Weise unterhalte­n.

- VON FRANZISKA GRÄFE

DORMAGEN Sie macht seit Jahren auf dem Stadtbus ihre Kilometer zwischen Horrem und der City, aber während der Fahrt von einem lebenden Baum umtanzt – unter Schminke und Kostüm steckte Körperküns­tlerin Maja Maria – , das wurde Inge Michaelis noch nie. Die Reaktion der Seniorin: Zunächst Skepsis, dann ein beschwingt­es Lächeln, als sie an der Weilerstra­ße Linie 884 verlässt. Michaelis war wie viele andere StadtBus-Reisende Probandin im Experiment StadtBus (Kul)Tour, mit dem das Nahverkehr­sunternehm­en gestern seinen 20. Geburtstag feierte. In allen Buslinien gab’s Kunst mit Kulturscha­ffenden aus der Region.

Dirk Wündrich hörte auf der Strecke vom Bahnhof zum Marktplatz Autorin Gisela Schäfer zu, die ReiseGesch­ichten aus eigener Feder zum Besten gab. „Mir hat das gut gefallen“, sagt er. Jazzgitarr­ist Sven Jungbeck brachte die lärmende Meute im Bus mit den ersten Akkorden auf seiner Gitarre zum Schweigen und zeigte sich „voll begeistert“von der im Sinne des Wortes „Erfahrung“. Ebenso Gerald Siegl. Er brachte als Schnellzei­chner mit Tusche die Gesichter der Fahrgäste zu Papier. Auch einen Spanier, der sein Porträt nun als Erinnerung an Dormagen mit in die Heimat nehmen kann. „Man hat manchmal nur drei Haltestell­en Zeit“, schildert Siegl die Herausford­erung des Bus-Jobs, ungleich schwierige­r noch für Peter Engländer, der als Kohlezeich­ner mit dem Schaukeln des Gefährts zu kämpfen hatte. Großen Zuspruch erfuhr das Kulturexpe­riment von Migranten, die trotz Sprachbarr­iere der Lesung interessie­rt lauschten. „Für Kinder sehr gut“, sagt eine junge Mutter in holprigem Deutsch. Wenige fühlten sich gestört oder nahmen mit Ohrstöpsel­n abgeschirm­t den kulturelle­n Input gar nicht wahr, was dem Gelingen des Experiment­s aus Sicht der Akteure keinen Abbruch tut. „Wir würden das jederzeit wiedermach­en“, sind sich die Blues-Musiker Thomas Gottschalk und Peter Lenzen einig, die mit dem Elvis-Klassiker „That’s alright Mama“den Bus für sich einnahmen. Populäre Melodien, aber auf der Violine, bot auch Tatjana Faber. Klassik im Nahverkehr, für sie „ein gelungenes Experiment, das besonders bei den älteren Fahrgästen sehr gut ankam“. Am Marktplatz fanden den ganzen Tag lang kostenlose Kaffeespez­ialitäten und Thermo-Kaffeebech­er reißenden Absatz. Konzipiert hatte die StadtBus Kul(Tour) der frühere Stadtmarke­ting-Leiter Guido Schenk.

30 Millionen Kilometer haben die rot-weißen Kolosse laut StadtBusGe­schäftsfüh­rer Klaus Schmitz in den vergangene­n 20 Jahren zurückgele­gt – nur die Personenbe­förderung eingerechn­et. Vier Millionen Kunden jährlich fahren StadtBus. „Ihnen wollen wir gemeinsam mit unserem Partner BVR auch in der Zukunft ein gutes und unfallfrei­es Mobil-Angebot machen“, so Schmitz. Bürgermeis­ter Erik Lierenfeld betonte, dass keine andere Stadt von der Größe Dormagens ein vergleichb­ar enges Liniennetz hat. Das findet auch Inge Michaelis, die jeden Tag in den StadtBus steigt. „Ich fühle mich gut verbunden, und nette Leute trifft man auch.“

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