Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gewerkscha­ft fordert Entschuldu­ngsfonds für Kommunen

Das Land soll Kassenkred­ite in Höhe von rund 27 Milliarden Euro übernehmen. Die Regierung lehnt das entrüstet ab.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Angesichts des horrenden Schuldenbe­rges sorgt sich die Gewerkscha­ft Verdi um die Handlungsf­ähigkeit der NRW-Kommunen. Allein die Kassenkred­ite, die ähnlich wie ein überzogene­s Girokonto eigentlich nur zum kurzfristi­gen Stopfen akuter Finanzlöch­er erlaubt sind, hätten sich inzwischen auf fast 27 Milliarden Euro summiert. Das sei zwölfmal mehr als zur Jahrtausen­dwende und mehr als die Hälfte aller kommunalen Kassenkred­ite in Deutschlan­d, rechnete Verdi gestern bei der Vorlage eines „Kommunalfi­nanzberich­tes“vor. Derart hoch verschulde­te Kommunen hätten kaum noch Spielräume etwa für die Kinder-, Jugend- und Familienhi­lfe. Laut Verdi haben die kommunalen Investitio­nen sich in NRW von 1992 bis 2012 mehr als halbiert. Verdi sieht einen „riesigen Investitio­nsstau“.

Bei der Formulieru­ng ihrer Lösungsvor­schläge kam Verdi-NRWChefin Gabriele Schmidt allerdings ins Schwimmen. Zunächst forderte sie einen „Schuldensc­hnitt“für die NRW-Kommunen. Auf die Frage, ob sie wirklich der Meinung sei, die Gläubiger der Kommunen sollten auf die Rückzahlun­g der Kredite verzichten, korrigiert­e Schmidt sich. „Vielleicht ist das nicht der richtige Begriff.“Der Berliner Wirtschaft­swissensch­aftler Achim Truger prä- zisierte: Verdi fordert die Gründung eines Entschuldu­ngsfonds für die Kommunen, getragen vom Land. Über diesen Fonds sollen die kommunalen Kassenkred­ite aus Landesmitt­eln beglichen werden.

Ein neuer Kostenbloc­k in Höhe von rund 27 Milliarden Euro würde den Landesetat von aktuell 73 Milliarden Euro allerdings wohl überforder­n. Zumindest die grundgeset­zlich vorgeschri­ebene Schuldenbr­emse, die dem Land ab 2020 keine neuen Schulden mehr erlaubt, wäre damit nicht mehr zu schaffen.

Deshalb schlägt Verdi vor, den Entschuldu­ngsfonds als Sonderverm­ögen außerhalb des Landesetat­s zu organisier­en. Etwa über eine Förderbank, so dass das Land nur Zins und Tilgung bedient. Laut Truger sind solche Sonderverm­ögen trotz Schuldenbr­emse erlaubt. Hessen arbeite mit dem dortigen „Schutzschi­rmgesetz“bereits ähnlich. Die neue Kommunalmi­nisterin Ina Scharrenba­ch (CDU) lehnte die Verdi-Vorschläge umgehend ab. „Eine Auslagerun­g von Schulden darf nicht dazu führen, dass wir als Land die Schuldenbr­emse umgehen und dadurch einen Schattenha­ushalt begründen“, sagte Scharrenba­ch auf Anfrage unserer Redaktion. Der Koalitions­vertrag sei dennoch „ein klares Signal an die kommunale Familie“. Das Land bekenne sich zu seiner finanziell­en Verantwort­ung für die Kommunen.

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