Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Baustellen von Thyssenkru­pp

Der Aktienkurs ist weiter niedrig, das Eigenkapit­al ist bescheiden, das aktuelle Geschäftsj­ahr wird wohl mit roten Zahlen abgeschlos­sen. Sechs Jahre nach Amtsantrit­t hat Vorstandsc­hef Heinrich Hiesinger noch sehr viel zu tun.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND REINHARD KOWALEWSKY

ESSEN Zumindest die Börsianer waren gestern etwas zufrieden: Um knapp zwei Prozent sprang die Aktie des Dax-Konzerns Thyssenkru­pp in die Höhe, weil der Vorstand ein neues Sparprogra­mm bestätigt hatte. In den kommenden drei Jahren sollen bis zu 2500 der 18.000 Verwaltung­sstellen im Personalbe­reich, dem Abrechnung­swesen oder auch im Management wegfallen. Das soll insgesamt bis zu 400 Millionen Euro in die Kasse bringen.

Dabei reiht sich das Programm in eine Reihe weiterer Projekte ein. Die Anlagen- und Werftenspa­rte „Industrial Solutions“soll rund 250 Millionen Euro einsparen – natürlich fallen Jobs weg. Die Stahlspart­e soll bis 2020 rund eine halbe Milliarde Euro kürzen – das kann bis zu 4000 Stellen kosten, auch weil noch völlig unklar ist, welche Folgen eine Fusion mit dem europäisch­en Ableger des indischen Konzerns Tata Steel hätte. Entspreche­nd nervös sind die Arbeitnehm­er. Günter Back, Betriebsra­tschef der Stahlspart­e, meint zu den wegfallend­en 2500 Bürojobs, davon 400 bis 600 im Stahl: „Das dürfte noch nicht die ganze Wahrheit sein. Der Vorstand gibt nur scheibchen­weise preis, was er wirklich vorhat.“

Unklar ist dabei auch, ob und wie vielen Mitarbeite­rn möglicherw­eise der Rauswurf droht. Betriebsbe­dingte Kündigunge­n sollen nach Möglichkei­t vermieden werden, erklärt das Unternehme­n. Vorher sollten alle Instrument­e der Personalpl­anung ausgeschöp­ft werden. Zumindest in der Stahlspart­e sind betriebsbe­dingte Kündigunge­n bis 2021 ausgeschlo­ssen – entspreche­nd hohe Abfindunge­n sind also dort fällig.

Das entscheide­nde Problem ist aber, dass Thyssenkru­pp auch sechs Jahre nach Amtsantrit­t von Vorstandsc­hef Heinrich Hiesinger noch immer tief in der Misere steckt. Das am 30. September endende Ge- schäftsjah­r wird mit roten Zahlen abgeschlos­sen werden – Hauptgrund ist eine Abschreibu­ng von 900 Millionen Euro auf die mittlerwei­le verkaufte Stahlhütte in Brasilien.

Das Eigenkapit­al beträgt nur noch 2,3 Milliarden Euro, die Eigenkapit­alquote von 6,5 Prozent ist deutlich niedriger als bei den meisten anderen Dax-Konzernen. Als operativen Gewinn (Ebit) will Hiesinger mindestens zwei Milliarden Euro im Jahr erwirtscha­ften – dieses Geschäftsj­ahr kommen wohl nur 1,8 Milliarden Euro zusammen. „Thyssenkru­pp muss insgesamt noch deutlich profitable­r werden“, sagt dazu Konzernexp­erte Christian Obst von der Baader Bank. „Das Unternehme­n muss die Kosten weiter senken, um Gelder für neue Investitio­nen mobilisier­en zu können.“

Eine interne Vorstandsp­räsentatio­n im Mai, die unserer Redaktion vorliegt, zeigt, wie das Management die Lage einschätzt. So erwirtscha­ftete die Aufzugspar­te im Vergleich zu den Wettbewerb­ern Otis und Kone eine deutlich niedrigere Rendite und lag zum Ende des vergangene­n Geschäftsj­ahres um 3,5 Prozentpun­kte unterhalb der internen Zielvorgab­e. In der Anlagenbau­und Werftenspa­rte mussten fast fünf Angebote geschriebe­n werden, um einen Auftrag zu erhalten – dabei führte noch vor Kurzem fast jedes zweite Angebot zum Erfolg.

Auch die Stahlspart­e büßte im Vergleich zur Konkurrenz an Profitabil­ität ein. Hiesinger plant, die Sparte in ein Joint Venture auszuglied­ern, um den Konzern vom Aufund Ab der Stahlkonju­nktur zu befreien – Betriebsrä­te und Gewerkscha­ft sorgen sich um viele Tausend Jobs in dem Traditions­geschäft, das einst die Wurzel des Ruhrkonzer­ns war. Die interne Präsentati­on zeigt: Salzgitter, Voestalpin­e Stahl sowie Arcelor Mittal stehen in Europa besser da als Thyssenkru­pp Steel. Noch weniger profitabel ist nur Tata Steel – jener Konzern, mit dem Thyssenkru­pp Steel fusioniere­n soll.

 ?? FOTO: DPA ?? Zentrale in Essen.
FOTO: DPA Zentrale in Essen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany