Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Stern, der Schaden nimmt

Auch Daimler soll Abgaswerte älterer Diesel-Fahrzeuge manipulier­t haben. Der Konzern wehrt sich gegen die Vorwürfe.

- VON MARKUS GRABITZ, BIRGIT MARSCHALL UND FLORIAN RINKE

BERLIN Nach VW, Audi und Porsche ist auch Daimler tiefer in den Abgasskand­al geraten. Das Kraftfahrt­bundesamt (KBA) nimmt jetzt zwei ältere Motorklass­en unter die Lupe. Wie lauten die konkreten Vorwürfe gegen Daimler? Knapp eine Million Diesel-Fahrzeuge der Stuttgarte­r könnten mit einer Software ausgestatt­et sein, die Abgaswerte manipulier­t, hatten mehrere Medien in dieser Woche berichtet. Daimler bestreitet diese Vorwürfe: „Auf Basis der uns vorliegend­en Informatio­nen würden wir gegen den Vorwurf einer illegalen Abschaltei­nrichtung durch das Kraftfahrt­bundesamt mit allen rechtliche­n Mitteln vorgehen.“ Welche Konsequenz­en drohen Daimler? Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, könnte das KBA einen Rückruf der Fahrzeuge anordnen. Zudem könnten Anwälte, die für Kunden bereits juristisch gegen den VW-Konzern vorgehen, auch Klagen gegen Daimler einreichen. Dem Premiumher­steller drohen ein finanziell­er und ein Image-Schaden. Was unternehme­n die Aufsichtsb­ehörden? Der „Spiegel“berichtet, dass das Bundesverk­ehrsminist­erium und das KBA seit Wochen intensiv Diesel-Autos von Daimler überprüfen würden. Betroffen seien unter anderem die E- und die C-Klasse. Laut dem Bericht wurde DaimlerVer­tretern bereits vom Ministeriu­m bei einem Gespräch am Donnerstag angedroht, eine Rückrufakt­ion einzuleite­n. Dem widerspric­ht Daimler: „Uns wurde im Gespräch nicht mit einer Rückrufakt­ion gedroht.“ Warum haben deutsche Hersteller bei der Motorensof­tware betrogen? Der Stickoxid-Ausstoß bei DieselFahr­zeugen lässt sich effektiv senken, indem man die Harnstoffl­ösung AdBlue hinzufügt. Diese muss allerdings relativ häufig nachgefüll­t werden. Dies ist lästig für die Kunden – könnte also beim Kauf gegen den Diesel sprechen. Weil die Hersteller den Diesel jedoch benötigen, um die europaweit vorgegeben­en Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendiox­id einzuhalte­n (denn das wird beim Diesel weniger ausgestoße­n als beim Benziner), haben sie lieber die Software optimiert, statt größere AdBlue-Tanks einzubauen. Durch die Software werden aber die Stickoxid-Grenzwerte nur auf dem Labor-Prüfstand eingehalte­n, im realen Straßenbet­rieb jedoch oft nicht. Die Hersteller berufen sich auf Ausnahmere­gelungen. Wie schädlich ist der Abgas-Skandal für die Wirtschaft? Die Dieseltech­nologie ist in Verruf geraten. Das trifft alle deutschen Automarken empfindlic­h. Im ersten Halbjahr 2017 hatten Dieselauto­s in Deutschlan­d nur noch einen Marktantei­l von 41,3 Prozent, wie Zulassungs­zahlen zeigen. Im gleichen Zeitraum 2016 lag er noch bei 46,9 Prozent. Die Autoindust­rie hat zwar „nur“einen Anteil von rund drei Prozent an der gesamten Wertschöpf­ung. Sie ist mit rund 750.000 Beschäftig­ten neben Maschinen- bau und Chemie-Industrie aber der wichtigste industriel­le Pfeiler. Welche Vorwürfe werden gegen Verkehrsmi­nister Dobrindt erhoben? Der CSU-Minister, so der Vorwurf der Opposition und von Umweltverb­änden, behandelt die Hersteller mit Samthandsc­huhen, statt von Anfang an richtig durchzugre­ifen. In der von Dobrindt eingesetzt­en Untersuchu­ngskommiss­ion sitzen nur Experten aus seinem Haus oder die der Industrie nahestehen. Was kann beim Autogipfel am 2. August herauskomm­en? Da in vielen Großstädte­n die EU-Grenzwerte für Stickoxide überschrit­ten werden, haben Gerichte Gegenmaßna­hmen vorgeschri­eben. Nun drohen Fahrverbot­e für ältere Diesel in Stuttgart, München oder Düsseldorf. Bund und Auto-Länder wollen das verhindern, indem sie die Industrie zur Umrüstung der betroffene­n Dieselauto­s verpflicht­en wollen. Auf dem Autogipfel soll dafür ein bundesweit einheitlic­hes Verfahren beschlosse­n werden. Die Regierung besteht darauf, dass die Umrüstung für die Kunden komplett kostenlos bleibt. Ist der Kauf eines Diesels noch ratsam? Die Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and rät derzeit davon ab – speziell in Städten. „Die Verbrauche­r sollten abwarten, wie sich die Politik positionie­rt“, sagte Expertin Marion Jungbluth. Eine Forsa-Umfrage zeigte, dass sich aktuell nicht einmal mehr jeder Fünfte einen Diesel neu anschaffen würde.

 ?? FOTO: DPA ?? Der Mercedes-Stern, hier an einem Konzeptfah­rzeug, droht seinen Glanz zu verlieren.
FOTO: DPA Der Mercedes-Stern, hier an einem Konzeptfah­rzeug, droht seinen Glanz zu verlieren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany