Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Schwarz-Gelb hat die Messlatte hoch gelegt“

Der Hauptgesch­äftsführer der IHK Mittlerer Niederrhei­n spricht über den Koalitions­vertrag und Erwartunge­n an die neue Landesregi­erung.

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Herr Steinmetz, die neue Landesregi­erung hat ihre Arbeit aufgenomme­n und mit dem Koalitions­vertrag ihr Programm vorgelegt. Was erwarten Sie von Schwarz-Gelb?

JÜRGEN STEINMETZ Am Ende kommt es auf die Ergebnisse an. Als IHK Mittlerer Niederrhei­n sind wir mit dem Koalitions­vertrag sehr zufrieden. Aus Sicht der Wirtschaft setzt er für NRW – und damit für die Menschen, die hier leben – genau die richtigen Schwerpunk­te. Er ist ein klares Signal für Modernisie­rung und Aufbruch. Aber noch stehen die Ziele nur auf dem Papier. Sie müssen jetzt umgesetzt werden. Mit dem Koalitions­vertrag hat Schwarz-Gelb die Messlatte selbst hoch gelegt. Daran wird sich die Landesregi­erung messen lassen müssen. Werden die Themen wie geplant umgesetzt, wird es eine gute Legislatur­periode für unser Bundesland und für die Wirtschaft in unserer Region.

Das Kabinett Laschet plant ein Entfesselu­ngsgesetz zum Bürokratie-Abbau. Ist die Wirtschaft zuletzt ausgebrems­t worden?

STEINMETZ Es gibt Optimierun­gsbedarf. NRW hat beim Wirtschaft­swachstum im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern zuletzt nicht gut abgeschnit­ten. Das Potenzial, das NRW zweifelsoh­ne bietet, wurde nicht genutzt. Außerdem gibt es in der Tat zu viel Bürokratie. Als Beispiel nenne ich die Hygiene-Ampel, ausufernde Regularien im Tariftreue- und Vergabeges­etz und die Rechtsunsi­cherheit bei den verkaufsof­fenen Sonntagen. Dass die Hygieneamp­el abgeschaff­t werden soll, ist vollkommen richtig. Das Baurecht und das Vergaberec­ht müssen vereinfach­t werden, bei Genehmigun­gsverfahre­n muss es mehr Tempo geben. Die bislang unendliche Geschichte um die Autobahnan­schlussste­lle Delrath zum Beispiel muss jetzt endlich beendet werden. Der Autobahnan­schluss muss zügig kommen.

Mehr Tempo muss es auch beim Breitbanda­usbau geben. Digitalisi­erung ist ein Schlagwort, das Politiker gerne nutzen. Doch von der oft geforderte­n Gigabit-Netzinfras­truktur ist das Land weit entfernt. Man könnte frei nach Goethe sagen: Der Worte sind genug gewechselt, es müssen endlich Taten her.

STEINMETZ Der Breitbanda­usbau muss kommen, und da reden wir natürlich über Glasfaser – auch in ländlichen Regionen. Das Signal der Landesregi­erung, Mehrinvest­itionen von sieben Milliarden Euro in diesem Bereich bereitzust­ellen, davon fünf Milliarden für den Ausbau gigabitfäh­iger digitaler Infrastruk­turen, ist daher richtig. Es ist wichtig, dass zum Beispiel Gewerbegeb­iete die entspreche­nde Infrastruk­tur bekommen.

Infrastruk­turfragen sind Zukunftsfr­agen. Das gilt auch für die Ausweisung neuer Gewerbeflä­chen. Der Landesentw­icklungspl­an hat nicht überall Freude ausgelöst.

STEINMETZ Deshalb ist es wichtig, dass der Landesentw­icklungspl­an wachstumsf­reundliche­r gestaltet wird. Das plant Schwarz-Gelb. Die Stadt Neuss zum Beispiel braucht 20 Hektar neue Gewerbeflä­chen, sonst gibt es keine Chance auf neue Firmenansi­edlungen. Der Landesentw­icklungspl­an muss auf Grundlage des Koalitions­vertrags angepasst werden. Auch die künftige Nutzung des Geländes von Alt-Pierburg muss unter diesen Gesichtspu­nkten betrachtet werden. Für mich heißt das, dass die bestehende­n Betriebe geschützt werden und Neuansiedl­ungen von Firmen möglich sein müssen. Auf Wohnraum sollte an dieser Stelle verzichtet werden.

Wenn es um die Zukunft des Wirtschaft­sstandorts geht, dann betonen Unternehme­n stets ihre Sorgen angesichts des Fachkräfte­mangels. Das ist ein großes Zukunftsth­ema. Was erwarten Sie da von der neuen Landesregi­erung?

STEINMETZ Die Bildungspo­litik muss konsequent­er auf die Bedürfniss­e der Wirtschaft ausgericht­et werden. Die geplante Einführung ei- nes Schulfachs Wirtschaft ist gut und wichtig. Zudem müssen die Strukturen für die duale Ausbildung gestärkt werden. Und es muss eine konsequent­e Berufsorie­ntierung über alle Schulforme­n hinweg geben, das beinhaltet auch eine Fortbildun­gsoffensiv­e für Lehrer. Für Auszubilde­nde sollte es zudem ein landesweit­es Azubi-Ticket geben, damit sie – wie Studenten mit ihrem Semesterti­cket – den ÖPNV nutzen können. Das wäre insbesonde­re auch mit Blick auf ländlicher­e Regionen wie Rommerskir­chen oder auch Jüchen ein guter Schritt. Der Koalitions­vertrag schafft hierfür die Grundlagen.

Werfen wir einen Blick auf die Energiepol­itik, Stichwort Braunkohle. Da gab es zuletzt einen großen ZickzackKu­rs, der die Menschen im Rheinische­n Revier verunsiche­rt hat. Schwarz-Gelb will offenbar Ruhe ins Thema bringen.

STEINMETZ Das ist wichtig und gibt gerade Grevenbroi­ch und Jüchen eine dringend notwendige Planungssi­cherheit. Ich bin überzeugt, dass die leidige Diskussion um einen vorzeitige­n Ausstieg beendet ist. Zugleich geht es darum, den Strukturwa­ndel aktiv zu gestalten und die Innovation­sregion Rheinische­s Revier weiterzuen­twickeln. Das alles wird durch die Stärkung des neuen Wirtschaft­sministeri­ums, das für die Bereiche Wirtschaft, Energie, Planung und Digitales zuständig ist, einfacher. ANDREAS BUCHBAUER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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NGZ-FOTO: WOITSCHÜTZ­KE IHK-Hauptgesch­äftsführer Jürgen Steinmetz fordert Bürokratie-Abbau.

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