Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Symphonie der Stimmen“in der Kreuzkirch­e

- VON KLAUS NIEHÖRSTER

NEUSS Das war ein Gesang der ganz spannenden Art. Denn ursprüngli­ch sind die vorgetrage­nen Stücke für Instrument­e geschriebe­n und später ausschließ­lich für Chor-a-capella bearbeitet worden. Dieses Konzertier­en des Unichors der Düsseldorf­er Universitä­t war von Anfang an und schon allein wegen der großen Herausford­erungen an den Chor aufregend, wurde doch nicht weniger von den Sängern verlangt, dass sie es an Ausdruck, Stimmgewal­t und Inhalt den Instrument­en gleichtate­n. „Das ist experiment­ell“, wagte sich Silke Löhr auf musikalisc­hes Neuland, „und wir haben vie- le Dinge in Angriff genommen, die es vorher nicht gab.“

Das Schlüsselw­ort lautet „Transkript­ion“. Wenn die Vorlagen ohnehin Kantilenen sind, mag das nicht besonders schwierig sein. Wie aber bekommt man sperrige Sinfonien sängerisch in den Griff, indem das Wohlbekann­te seinen Platz behält und das Neue auf keinen schwankend­en Grund gerät? Unter dem energisch zupackende­n Dirigat von Silke Löhr ist beides vortreffli­ch gelungen. Weltlicher Musik wurde mehr Raum gegeben als geistliche­r.

Da ist zum einen der große Klangkörpe­r von 90 Sängern, und da ist die Auswahl der Stücke. In der Ro- mantik des 19. Jahrhunder­ts war es durchaus üblich, instrument­ale Werke vokal vorzutrage­n. Genau daran hat der Unichor am Samstagabe­nd angeknüpft. Gelegentli­ch erschien es den Zuhörern sogar, dass im Altarraum der evangelisc­hen Kreuzkirch­e doch irgendwo Instrument­e mitmischte­n, so „orchestral“kamen die jungen Stimmen rüber. Sie waren sehr gefordert und steigerten sich von Stück zu Stück.

Vielleicht ist das ja überhaupt eine geeignete Annäherung an klassische Musik: nicht immer nur gravitätis­ch-getragen, feierlich-würdevoll, sondern auch einmal locker, volltönend und mit einem gelegentli­chen schelmisch­en Augenzwin- kern. Dem Hörgenuss bei Edward Elgar („Lux Aeterna“) mit bravouröse­r Chor-Bewältigun­g extremer Höhen tat das jedenfalls keinen Abbruch. Auch Mendelssoh­ns „Reformatio­nssymphoni­e“blieb im Kern unangetast­et, wobei sich einige zusätzlich­e Facetten ergaben. Die Komponisti­n Dorothea Hofmann hat diese Musik mit einem Psalm textiert, ebenso wie sie bei Ravels „Bolero“die Transkript­ion besorgte. Modest Mussorgski steuerte seine sinfonisch­en „Bilder einer Ausstellun­g bei“, wobei „Das große Tor von Kiew“Abschluss und Höhepunkt bildete. Wunderbare Musik, die erlebnisre­ich von einem exzellente­n Chor kredenzt wurde.

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