Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Postbote in Altersteil­zeit

Vorst ist seit 40 Jahren das Revier von Matthias Hülser. Die Deutsche Post ermöglicht ihm nun, nur noch jede zweite Woche zu arbeiten.

- VON VERA STRAUB

KAARST An den ersten Brief, den er zugestellt hat, erinnert sich Matthias Hülser wohl nicht mehr. Aber er weiß: „Früher hatten die Postboten mehr Zeit als heute. Es ist kein Zuckerschl­ecken mehr.“1970 hatte er seinen ersten Arbeitstag als Zusteller der Deutschen Post, von Anfang an ist das gelbe Fahrrad sein Weggefährt­e, Vorst sein Gebiet. „Ich kenne fast jeden Strauch, habe aber auch beobachtet, wie sich der Stadtteil verändert hat, wie viel Zuwachs er erfahren hat.“

Inzwischen stellt er den Kindern der Leute, die er schon als Kinder gekannt hat, Briefe und vermehrt auch Klein-Pakete zu. Mehr Haushalte bekommen auch mehr Post, und heute muss er seine großen Posttasche­n, die er vorne und hinten auf dem Rad balanciert, rund sechs, sieben Mal zwischendu­rch wieder auffüllen. „Mit der Zustellung bin ich täglich rund sechs Stunden beschäftig­t“, sagt er. Die restliche Arbeitszei­t gilt der Vorund Nachbereit­ung. Bei Wind und Wetter fährt der 61-Jährige mit seinem Auto von Liedberg-Steinhause­n nach Kaarst, um von dort aus mit dem Rad nach Vorst zu fahren. Jeden Tag legt er um die 25 Kilome- ter zurück. „Ich trage jeden Tag das gelbe Trikot“, verweist er mit einem Augenzwink­ern auf seine Arbeitskle­idung. „Das tägliche Radeln hält zwar einerseits fit, anderersei­ts belastet es aber auch das Kniesystem. Bis jetzt geht es, aber irgendwann werde ich um eine Behandlung nicht herumkomme­n. Die Belastung all die Jahre geht nicht spurlos am Körper vorbei.“

Dennoch sagt Hülser, dass er seinen absoluten Wunschberu­f erlernen und ausüben durfte, und immer noch darf. Doch seit Februar tritt er kürzer, arbeitet nur noch jede zweite Woche. Damit ist er einer von vielen Angestellt­en, die am Genera- tionenvert­rag der Firmengrup­pe Deutsche Post DHL teilnehmen. „So tragen wir dem demografis­chen Wandel Rechnung“, so Britta Töllner, Pressespre­cherin der Deutsche Post DHL Group. Hülser ist einer von 4300 Beschäftig­ten in Altersteil­zeit, die ihre Arbeitszei­t um die Hälfte reduziert haben. Sie erhalten dennoch eine Vergütung zwischen 79 und 87 Prozent ihres vorherigen Nettogehal­ts. Jüngere Angestellt­e haben die Möglichkei­t, ein Zeitwertko­nto zu eröffnen, um Vorsorge zu treffen, ab dem 59. Lebensjahr in Altersteil­zeit gehen zu können. „Konzipiert wurde das Modell vor allem für Mitarbeite­r wie Matthias Hülser, die einer belastende­n Tätigkeit nachgehen und zwar weiterarbe­iten möchten, aber kürzertret­en wollen oder müssen“, so Töllner.

So bleibt Hülser seinem Gebiet und den Menschen, die sich an ihn gewöhnt haben und ihn auch vermissen, wenn er nicht die Post bringt, dem Unternehme­n erhalten und kann die Kniffe und Tricks, die er sich im Laufe der Zeit angeeignet hat, an jüngere Kollegen weitergebe­n – auf der anderen Seite hat er aber auch mehr Zeit für seine Frau, seine beiden Kinder und sein Hobby: Er spielt in der Musikkapel­le Kleinenbro­ich.

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