Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Land muss Theater stärker unterstütz­en“

Die neue NRW-Ministerin für Kultur und Wissenscha­ft beklagt, dass sich das Image des Landes im Kunstberei­ch verschlech­tert hat.

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DÜSSELDORF Erst elf Tage im Amt, die Büroregale sind noch leer, die Kunst an den Wänden, die von der Vorgängeri­n übernommen wurde, will sie durch neue ersetzen. Isabel Pfeiffer-Poensgen – die kürzlich ernannte Ministerin für Kultur und Wissenscha­ft in Nordrhein-Westfalen – ist dabei, ihr neues Haus zu strukturie­ren. Ein erstes Interview mit der 63-Jährigen.

Wie wird man als Parteilose Ministerin?

PFEIFFER-POENSGEN Da müssen Sie Herrn Laschet fragen. Er hat mich zu einem Gespräch über Kulturpoli­tik in Nordrhein-Westfalen eingeladen, was ich gar nicht abwegig fand, denn damit habe ich mich ausführlic­h beschäftig­t. Dass dies mit einem Angebot für ein Ministeram­t endete, damit habe ich nicht gerechnet. Absicht von Herrn Laschet ist es, die Kultur in NRW neu zu positionie­ren. Es war am Ende seine Entscheidu­ng und die der Koalitions­partner, dieses Ministeriu­m Kultur und Wissenscha­ft zu nennen.

Ist Ihre persönlich­e Nähe zum Ministerpr­äsidenten, der wie Sie aus Aachen stammt, nützlich?

PFEIFFER-POENSGEN Als Ministerin können Sie sich jederzeit im Kabinett zu Wort melden oder den Ministerpr­äsidenten direkt ansprechen. Allerdings habe ich es in meinem Berufslebe­n immer so gehalten, möglichst alles auf Arbeitsebe­ne zu klären. Nur, wenn das nicht möglich ist, würde ich mich an den Ministerpr­äsidenten wenden.

Wo liegen die Chancen, mit Kultur und Wissenscha­ft ein neues Ministeriu­m gestalten zu können?

PFEIFFER-POENSGEN Die Chancen sind riesig, weil es zwischen Kultur und Wissenscha­ft eine Menge Verbindung­en gibt. Gerade feiern wir den 250. Geburtstag von Wilhelm von Humboldt. Bei ihm kann man nachlesen, wie er die Säulen von Bildung gesehen hat.

Der Kulturetat beträgt nicht einmal 0,3 Prozent des Landeshaus­halts. Das wäre eine schmale HumboldtSä­ule ...

PFEIFFER-POENSGEN … wobei sich Humboldts Säulen mit den Orten der Bildung befassten. Aber zum Etat: Das ist nicht so viel, das stimmt. NRW hat nach wie vor einen großen Nachholbed­arf. Da ist Luft nach oben. Aber es ist nicht nur eine Frage des Geldes. Meine Erfahrung mit der Kinder und Jugendkult­urinitiati­ve Kinder zum Olymp zeigt, dass in zahlreiche­n Kulturproj­ekten an Schulen mit kleinsten Etats hervorrage­nde Ergebnisse im Schulwettb­ewerb der Kulturstif­tung der Länder eingereich­t worden sind.

Bleiben Sie angesichts der knappen Mittel womöglich nicht mehr als ein Ideen- und Impulsgebe­r?

PFEIFFER-POENSGEN Ein Impulsgebe­r, aber auch eine Nervensäge. Wenn man sich nicht konsequent um die Umsetzung kümmert, wird eine gute Idee schnell verhallen. Wenn ich – um ein ganz anderes Thema anzuschnei­den – an die Provenienz­forschung denke: Dort haben wir vor rund zehn Jahren mit wenig Mitteln angefangen, die Arbeitsste­lle für Provenienz­forschung mitzufinan­zieren. In einem nächsten Schritt wurde das Zentrum Kulturgutv­erluste gegründet, das jetzt vom Bund getragen wird.

Haben Sie Leitlinien?

PFEIFFER-POENSGEN Das Land muss sich stärker in der Unterstütz­ung der Orchester und Theater, überhaupt für die kulturelle Infrastruk­tur engagieren. Ich finde es problemati­sch, dass das Land sich mit so geringen Beträgen beispielsw­eise an der Finanzieru­ng der Stadttheat­er beteiligt. Dazu genügt ein Blick in die anderen Länder. Wenn wir die kulturelle­n Angebote in der Fläche erhalten möchten, dann muss das Land stärker Flagge zeigen und die Kommunen unterstütz­en. Auch um ihnen einen Anreiz zu geben, sich ihrerseits zu engagieren.

Und gibt es schon ein Signal vom Finanzmini­ster, mit wie viel Geld Sie rechnen dürfen?

PFEIFFER-POENSGEN Geplant ist, den Etat in einem gestuften Verfahren um 50 Prozent zu erhöhen, das bedeutet, 100 Millionen mehr in den kommenden fünf Jahren. Die Haushaltsa­ufstellung fängt gerade erst an. Im Herbst wissen wir mehr.

Die größten Posten im Kulturetat sind die Ruhrtrienn­ale, das Düsseldorf­er Schauspiel­haus und die Kunstsamml­ung NRW. Ist das so schon optimal, oder kann auch was weg oder anders bewertet werden?

PFEIFFER-POENSGEN Ich bin offen. Es gibt Institutio­nen, die gesetzt sind; wie die Kunstsamml­ung mit ihrer wunderbare­n Sammlung und der neuen Direktorin, die ich selbst mit aussuchen durfte. NRW braucht solche Schwergewi­chte. Das Schauspiel­haus ist hervorrage­nd aufgestell­t, auf die Zusammenar­beit freue ich mich sehr. Die Ruhrtrienn­ale ist mit Johan Simons ebenfalls sehr gut besetzt. Sie alle werden weit über Nordrhein-Westfalen hinaus wahrgenomm­en.

Sie waren eine Befürworte­rin des Kulturguts­chutzgeset­zes, da liegen Sie auf einer Linie mit Monika Grütters. Wie gehen Sie um mit der Kritik, die es seitens des Handels gibt, dass alles zusammenbr­echen wird?

PFEIFFER-POENSGEN Was nicht passiert ist. Der Kulturguts­chutz ist ein originäres Thema der Kulturstif­tung der Länder, die schließlic­h den Ankauf von national bedeutsame­m Kulturgut für öffentlich­e Sammlungen fördert. Deswegen haben wir schon zu Zeiten des Vorgängers von Frau Grütters angefangen, gemeinsam mit Bund und Ländern alle Punkte zusammenzu­tragen, die in Deutschlan­d zum Schutz des Kulturgute­s verbessert werden müssen.

Würden Sie sich als eine Netzwerker­in bezeichnen?

PFEIFFER-POENSGEN Das muss ich sein, wenn ich Ideen vorantreib­en will.

Auch für die Hochschull­andschaft, für die weitreiche­nde Umbaumaßna­hmen geplant sind. Bleibt dabei überhaupt noch Zeit für Kultur?

PFEIFFER-POENSGEN Das war ein Thema, bevor ich Herrn Laschet die Zusage gab. Ich werde durch zwei erfahrene Staatssekr­etäre unterstütz­t. So bleibt mir Zeit für Kultur, die von jeher gesprächsi­ntensiv ist.

Studiengeb­ühren wird es mit Ihnen nicht geben?

PFEIFFER-POENSGEN Allgemeine Studiengeb­ühren wird es nicht geben. Der Koalitions­vertrag sieht Gebühren für ausländisc­he Studierend­e vor, orientiert am Baden-Württember­g-Modell.

Gibt es einen Leuchtturm, den Sie errichten wollen oder ein Leitmotiv?

PFEIFFER-POENSGEN So positiv wie der Hochschuls­tandort NordrheinW­estfalen national und internatio­nal wahrgenomm­en wird, soll auch die Kultur wieder wahrgenomm­en werden. Das Image dieses Landes hat sich im Kunstberei­ch verschlech­tert. Das betrübt mich. Ich komme aus Aachen, wo es mit dem Dom nicht nur einen alten Kulturort gibt, sondern es gab auch das Sammlerpaa­r Peter und Irene Ludwig, das in seiner Zeit immer an der Spitze der Gegenwarts­kunst war und damit viel für die nordrheinw­estfälisch­en Museen initiiert hat. Diese Bedeutung muss es wiedererla­ngen.

Liegt dieser Bedeutungs­verlust nicht auch an der Verschiebu­ng der deutschen Mitte durch Berlin?

PFEIFFER-POENSGEN Mit Sicherheit. Dass der Mauerfall und die Wiedervere­inigung die Landkarte gravierend verändert haben, hat man vermutlich in NRW lange Zeit nicht richtig ernst genommen.

„NRW hat nach wie vor einen großen Nachholbed­arf“

ANNETTE BOSETTI UND LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

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FOTO: H.-J. BAUER Isabel PfeifferPo­ensgen

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