Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kaarsterin pilgert den harten Jakobsweg

Für Klaudia Wolnitza war immer der Weg das Ziel. Dafür wählte sie auch den unbequemen Camino primitivo.

- VON ELISABETH KELDENICH

KAARST Heute ist Jakobstag. Viele Kaarster pilgern auf seinen Spuren. Eine von ihnen ist Klaudia Wolnitza. Und sie ist sich sicher: „Das war das größte Erlebnis meines Lebens!“Im Alter von acht Jahren pilgerte sie zum ersten Mal – 50 Kilometer von Vorst nach Blatzheim (Stadt Kerpen) mit der Matthiasbr­uderschaft. „In Turnschuhe­n“, erinnert sie sich schmunzeln­d. Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“war dann die Initialzün­dung, den Jakobsweg zu gehen. „Wenn er das schafft, schaffe ich das auch“, war Klaudia Wolnitzas Gedanke.

In Santiago de Compostela anzukommen sei aber nie ihr Ziel gewesen: „Ich wollte selbst bestimmen, wie lange ich gehe. Der Weg war mein Ziel“, erklärt sie. Bei der Vorbereitu­ng stieß sie im Internet auf die Paderborne­r Jakobusfre­unde. „Dort herrschte ein sehr freundlich­er Umgangston, der mich überzeugt hat“, erinnert sich die 61-jährige. Sie wurde Mitglied, flog 2008 nach Pamplona und startete dort ihren Pilgerweg. „Zu Beginn machte ich typische Anfängerfe­hler: Ich hatte viel zu viele Sachen mit und ging 320 Kilometer in drei Wochen“, sagt sie.

Aber bereits auf dieser Etappe sammelte die Vorsterin bereichern­de Erfahrunge­n: Sie lernte interessan­te Menschen kennen, erlebte schöne Begegnunge­n und traf auf viel Hilfsberei­tschaft bei kleinen Problemen. „Einmal hatte es Hunde und Katzen geregnet, und der Lehmboden verwandelt­e sich in einen einzigen Matsch. Ich fiel rückwärts eine Böschung herunter und blieb wie ein Maikäfer auf dem Rü- cken liegen. Sofort zogen mich mehrere Menschen hoch“, erzählt sie. Überrasche­nd war für sie das gemeinsame Übernachte­n von Männern und Frauen in den Herbergen – später zog sie Übernachtu­ngen in Hostels mit eigenem Bad vor. In den Jahren 2010 bis 2014 – mit einer Pause 2013 – wanderte sie jeweils in drei Wochen durchschni­ttlich 200 Kilometer. Bis auf eine Ausnahme blieb sie dabei al- lein. „So ist man offen für alles, kann an einem Ort länger verweilen und den Weg mit allen Sinnen genießen“, meint sie. Dazu gehörte auch das Essen – und das Trinken von bis zu sechs Litern Wasser am Tag. Nachdem sie auf dem klassische­n Camino francès „eher Partystimm­ung“und viel Kommerz erlebte, wechselte sie auf den härteren Camino primitivo. Dessen Ursprüngli­chkeit gefiel ihr viel besser. Im Lau- fe der Zeit optimierte sie ihre Ausstattun­g und erlebte den Jakobsweg an sich als Gemeinscha­ft.

Bis ihr 2014 bei der Rückfahrt im Bus der Rucksack gestohlen wurde. „Das war für mich ein Zeichen, nicht mehr weiterzuge­hen“, sagt Klaudia Wolnitza. Jetzt freut sie sich auf eine Flugreise nach Santiago de Compostela im September. Ihr Fazit nach über 1000 zurückgele­gten Kilometern: Der Pilgerweg habe sie geerdet und zur Ruhe kommen lassen. Sie kann ihn nur empfehlen: „Ich werde den Rest meines Lebens davon zehren.“

Ihr Glaube sei aber nicht ihre Hauptmotiv­ation gewesen, erklärt sie weiter. Und heute genießt sie den positiven Nebeneffek­t ihrer Reisen: Es bildeten sich enge Freundscha­ften mit den Paderborne­r Jakobusfre­unden, die sich zwei Mal jährlich treffen.

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FOTO: BUTZKE, PETER Santiago de Compostela in Spanien ist für die meisten Pilger das Ziel ihrer Reise. Aber Klaudia Wolnitza hat den Wallfahrts­ort nie zu Fuß angesteuer­t. Doch im September fliegt sie dorthin.
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