Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ruf nach Passpflich­t für Asylbewerb­er

Das Attentat von Hamburg facht die Debatte um die innere Sicherheit neu an. Ein palästinen­sischer Asylbewerb­er sitzt in Untersuchu­ngshaft. Er war als Islamist bekannt; seine Ausreise scheiterte, weil Papiere fehlten.

- VON GREGOR MAYNTZ UND THOMAS REISENER

HAMBURG Nach dem tödlichen Messer-Attentat eines abgelehnte­n Asylbewerb­ers in Hamburg debattiert die deutsche Politik wieder über Zuwanderun­g und Sicherheit. Die Forderunge­n drehen sich um effektiver­e Abschiebun­gen und bessere Kooperatio­n mit den Herkunftsl­ändern. So forderte CDU-Innenexper­te Armin Schuster mehr Kompetenze­n des Bundes bei der Rückführun­g. Auswärtige­s Amt, Bundespoli­zei und Bundesinne­nministeri­um hätten eine „andere diplomatis­che Power als die Ausländerb­ehörde Buxtehude oder Kleve“. Abschiebun­gen sind bisher in erster Linie Sache der Bundesländ­er.

Schusters Parteifreu­nd Wolfgang Bosbach sprach sich für eine Passpflich­t für Asylbewerb­er bei der Einreise aus. Zwar seien die Möglichkei­ten von Ausweisung und Abschiebeh­aft bereits ausgeweite­t worden. „Aber wenn es dabei bleibt, dass wir bei einem Asylbegehr­en schon an der Grenze auf die bei der Einreise ansonsten zwingend vorgeschri­ebene Erfüllung der Passpflich­t verzichten und auf diese Weise Tag für Tag viele Hundert Drittstaat­sangehörig­e mit ungeklärte­r Identität und Nationalit­ät einreisen können, werden wir bei der Rückführun­g von Ausreisepf­lichtigen auch zukünftig in vielen Fällen große Probleme haben“, sagte Bosbach: „Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt.“

Ein 50-jähriger Hamburger war am Freitag von dem Palästinen­ser Ahmad A. (26) in einem Supermarkt im Stadtteil Barmbek mit einem 20 Zentimeter langen Messer angegriffe­n und getötet worden. A. handelte möglicherw­eise spontan: Nach Angaben der Polizei nahm er erst im Laden ein Messer und riss es aus der Verpackung. Sieben weitere Kunden und Passanten wurden verletzt. Couragiert­e Bürger verfolgten und stellten den Täter. Er kam wegen Mordverdac­hts in Untersuchu­ngs- haft. Zum Tathergang und zu seinem Motiv habe der Mann keine Angaben gemacht, nur zu seiner Person, erklärte die Staatsanwa­ltschaft.

A. war den Behörden als Islamist bekannt und seit Ende 2016 ausreisepf­lichtig. Der Vollzug scheiterte an fehlenden Papieren, die die Palästinen­ser nun aber übersenden wollen. Die Motive für die Tat liegen noch im Dunkeln. Gegenüber arabischen Passanten soll A. erklärt haben, er wolle nicht ihnen etwas tun, sondern Christen. Augenzeuge­n wollen auch gehört haben, dass der Täter „Allahu akbar“gerufen habe – wie es häufig islamistis­che Attentäter tun. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) gab jedoch zu bedenken: „Wir müssen damit rechnen, dass die dschihadis­tische Ideologie als Begründung oder Rechtferti­gung für Taten herangezog­en wird, die vielleicht aufgrund ganz anderer Motive begangen werden.“Vertreter der Sicherheit­sbehörden sprachen von einer „psychische­n Labilität“. Es gebe bisher keine Hinweise auf Hintermänn­er oder ein Unterstütz­er-Netzwerk.

Die Integratio­nsexpertin der Unionsfrak­tion, Cemile Giousouf, nannte es „nicht nachvollzi­ehbar, warum ein Radikalisi­erter, der sich im Ausreiseve­rfahren befindet und dessen Umfeld die Polizei warnt, nicht in Abschiebeh­aft genommen wurde“. SPD-Innenexper­te Burkhard Lischka stellte ebenfalls die Frage, ob die Behörden alle Instrument­arien genutzt hätten, um die Handlungss­pielräume des Attentäter­s einzuschrä­nken. Dazu zählten Meldeaufla­gen, Aufenthalt­sbeschränk­ungen oder Abschiebeh­aft.

Der Vorsitzend­e des Innenaussc­husses, Ansgar Heveling (CDU), verlangte, mit einer strikten VisaPoliti­k auf verschlepp­te oder blockierte Ausstellun­gen von Papieren für Rückführun­gen zu reagieren. „Es kann nicht sein, dass dortige Staatsbürg­er Visa fürs Shoppen oder den Uni-Besuch in Europa bekommen, aber die Rücknahme unliebsame­r Staatsange­höriger dann vereitelt wird“, sagte Heveling.

CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer sieht Konsequenz­en für die Abschiebep­raxis: Wenn eine Radikalisi­erung bekannt werde, müssten diese Personen „aus dem Verkehr gezogen und festgesetz­t werden, bevor sie Taten begehen“.

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AUSRISS: „BAMS“ Der mutmaßlich­e Täter Ahmad A. (26).

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