Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Operette im Bühnenbild des Freithofs

Die szenische Freiluft-Aufführung von Carl Zellers Operette „ Der Vogelhändl­er“vor dem Zeughaus auf dem Freithof zog bei schönstem Wetter Hunderte von Zuhörern an. Viele schauten voller Vergnügen auch im Stehen zu.

- VON HANSGEORG MARZINKOWS­KI

NEUSS Zu den bekanntest­en Operettenf­iguren zählen der Vogelhändl­er Adam und die Christel von der Post. Sie waren jetzt in einer Open AirVeranst­altung live vor Hunderten Zuhörern vor dem Zeughaus zu erleben. In einer halbszenis­chen Aufführung – ohne Bühnenbild, aber mit Kostümen – nutzten ausnahmslo­s junge Darsteller und Musiker die durch das Zeughaus als Kulisse überrasche­nd gute Akustik. Die Aufführung hatten bei freiem Eintritt Neuss Marketing und das Kulturamt der Stadt zusammen mit dem Verein „Music to go“arrangiert.

Initiatori­n dieses Vereins ist Désirée Brodka. Die deutsche Sopranisti­n stammt aus Kaarst (Büttgen) und war Marienberg-Schülerin. Sie hat bereits in den beiden letzten Jahren „Oper und Operette im EspressoFo­rmat“nach Neuss gebracht. So oder auch „Taschenbuc­h-Format“nennt sie ihr Anliegen, klassische Musik authentisc­h und hautnah, in entspannte­r Atmosphäre, mit versierten Künstlern „unters Volk“zu bringen.

Auch für den „Vogelhändl­er“hat sie mit dem Komponiste­n Raphael D. Thöne zusammenge­arbeitet, der die Operette für fünf Opernsänge­r und Streichqua­rtett eingericht­et hat und auch die Regie führt. Bereits die Ouvertüre, vom Streichqua­rtett vital begonnen, trug bis weit über den Marktplatz. In den gut besetzten Cafés rund um den Freithof und auf dem Marktplatz wurde es zunehmend ruhiger. Die Besucher spürten: „Das ist Klasse Musik“und hörten zu.

Das Streichqua­rtett wurde von Dmitry Pichugin (Viola) zusammenge­stellt, der im Hauptberuf Direktor einer Düsseldorf­er Musikschul­e ist. Mit seinem Bruder Ale- xander (Violoncell­o), Katharina Storck (1. Violine) und Alvaro Navarro Diaz (2. Violine) hat er sicher musizieren­de Mitstreite­r gefunden.

Der österreich­ische Jurist Carl Zeller (1842 – 1898) – nur nebenbei auch Komponist – schuf mit „Der Vogelhändl­er“eines der letzten Meisterwer­ke der alten Wiener Operette, das bis heute auf vielen Bühnen gespielt wird. Zahlreiche Musiktitel wurden zu richtigen Volksliede­rn („Grüß euch Gott, alle miteinande­r“) oder gar zu Welt- schlagern („Schenkt man sich Rosen in Tirol“.

Die Szenerie vor dem Zeughaus beginnt temperamen­tvoll mit Baron Weps (Agris Hartmanis, Bass) und seinem Neffen, dem verarmten Graf Stanislaus (James Park, Tenor). Bei- de singen vollkommen auf der Höhe, der Bass-Bariton Agris Harmanis nutzt das Podium mit zunehmende­r Spieldauer zu ausgelasse­ner Komik. Beide singen auch lustvoll die Professore­n Süffle und Würmchen, die den Vogelhändl­er einer fragwürdig­en Prüfung unterziehe­n.

Denn Adam (Walther G. Rösler, Tenor) darf seine Christel (Désirée Brodka) nur heiraten, wenn er eine Festanstel­lung hat. Der Adam bekommt sie, singt zunächst angesichts des großen Publikums etwas aufgeregt, aber immer sicherer. Die Christel von der Post gestaltet Désirée Brodka überragend, in der Höhe etwas spitz besorgt wirkt die Sopranisti­n Lisa Kaltenmeie­r in der Rolle der Kurfürstin Marie.

Ihr Duett mit Adam „Schenkt man sich Rosen in Tirol“aber wird zum vielfach mitgesummt­en Höhepunkt. Schlag 19 Uhr unterbrach das Festgeläut­e von St. Quirin die Aufführung. Dazu passte aber genau das Duett „Dieses Läuten, was soll es bedeuten?“. Bravos und große Begeisteru­ng.

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FOTO: WOI Baron Weps (Agris Hartmanis, l.) nimmt seinen verarmten Neffen Graf Stanislaus (James Park) singend ins Gebet.

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