Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Opposition unterstell­t Betrug am Wähler

Können die Verspreche­n des Koalitions­vertrages wirklich ohne Mehreinnah­men finanziert werden?

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF In ihren Wahlprogra­mmen haben CDU und FDP erklärt, dass geplante Mehrausgab­en zwingend durch Einsparung­en an anderer Stelle finanziert werden müssten. Im schwarz-gelben Koalitions­vertrag taucht diese Selbstverp­flichtung nicht mehr auf.

Die Opposition im Landtag ist „fassungslo­s, wie unprofessi­onell mit den Wahlverspr­echen umgegangen wird“, wie Grünen-Fraktionsc­hefin Monika Düker gestern erklärte. Sie rechnete vor, warum die neue Landesregi­erung ihre Zusagen nicht einhalten könne: „Die Wahlverspr­echen von Schwarz-Gelb kosten mindestens drei Milliarden Euro. Entweder sie werden in großen Teilen wieder kassiert, oder die Landesregi­erung muss sie zu großen Teilen eben doch über Mehreinnah­men finanziere­n, die dann aber nicht wie angekündig­t in den Schuldenab­bau fließen.“

In der Tat verspricht die Landesregi­erung im Koalitions­vertrag etliche Wohltaten: Aufstockun­g der Polizei, mehr Geld für Kinderbetr­euung, mehr Lehrer und Justizange­stellte, mehr Geld für Hochschule­n, Infrastruk­tur, Forschung, Pensionsfo­nds und Digitalisi­erung. In der Öffentlich­keit hat sie bislang kaum erklärt, was das kostet. Zugleich will sie für Freibeträg­e bei der Grunderwer­bssteuer auf Einnahmen verzichten. NRW-Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er (CDU) bittet um Geduld. Er sagte gestern unserer Redaktion: „Wir arbeiten über den Sommer an einer vollständi­gen Be- standsaufn­ahme des uns von der Vorgängerr­egierung überlassen­en Haushalts. Wir überprüfen bei der Bestandsau­fnahme den Haushalt also auch auf vorhandene Risiken und Buchungstr­icks der Vorgängerr­egierung. Danach legen wir dann das Ergebnis in Form eines Nachtragsh­aushalts dem Landtag vor.“

Im Wahlprogra­mm der CDU hieß es auf Seite 37: „Bei notwendige­n Mehrausgab­en (...) ist strikt darauf zu achten, dass ihre Finanzieru­ng durch Einsparung­en an anderer Stelle dauerhaft gesichert ist.“Im Wahlprogra­mm der FDP heißt es auf Seite 37: „Neue Ausgaben müssen durch bestehende Steuereinn­ahmen oder Einsparung­en in anderen Bereichen finanziert werden.“Auf die Frage, warum von dieser Selbstverp­flichtung im Koaliti- onsvertrag nicht mehr die Rede ist, antwortete Lienenkämp­er: „Wir haben alles solide durchgerec­hnet. Die Aussage gilt, dass notwendige Mehrausgab­en für Bildung, Innere Sicherheit und Digitalisi­erung im Laufe der Legislatur­periode an anderer Stelle finanziert werden.“

Auch drei haushaltsp­olitische Kernforder­ungen der CDU, die sie als Opposition­spartei gerne und oft wiederholt­e, finden sich im Koalitions­vertrag nicht wieder: Die Wiedereinf­ührung der Studiengeb­ühren, die Abschaffun­g des beitragsfr­eien Kindergart­enjahres und die Streichung des Sozialtick­ets. Die neue Regierung führt zwar Studiengeb­ühren ein, allerdings nur für Nicht-EU-Ausländer. Kindergärt­en sollen langfristi­g sogar komplett beitragsfr­ei sein.

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