Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wenn der Landtag auf Reisen geht

Mit teilweise skurrilen Begründung­en verursacht­en die Ausschüsse Reisespese­n von einer halben Million Euro. Da ging es etwa um schottisch­e Ombudsmänn­er oder israelisch­en Jugendstra­fvollzug.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die Fachaussch­üsse des Landtages gehen regelmäßig auf Reisen. In der vergangene­n Legislatur­periode (2012 bis 2017) finanziert­e der Steuerzahl­er den Parlamenta­riern 85 Dienstreis­en zum Beispiel nach Kanada, Finnland oder Israel zu Gesamtkost­en von 587.437,79 Euro. Während der schwarz-gelben Regierungs­periode von 2005 bis 2010 lagen die Gesamtkost­en der Ausschuss-Reisen mit 516.715,68 Euro auf vergleichb­arem Niveau. Das geht aus einer Kostenüber­sicht hervor, die das Landtagspr­äsidium auf Anfrage unserer Redaktion zusammenge­stellt hat.

Eigentlich keine skandalöse­n oder auch nur spektakulä­ren Summen angesichts des Landesetat­s von rund 70 Milliarden Euro. Umso erstaunlic­her ist, wie ungern die Parlamenta­rier in der Öffentlich­keit über die Ausschussr­eisen sprechen.

Wenn überhaupt, äußern sich nur ausgeschie­dene Parlamenta­rier dazu – und selbst die wollen anonym bleiben. „Das gilt als Tabu“, sagt einer von ihnen, „mit dem Thema macht man sich unbeliebt.“

Bereitwill­ig Auskunft gibt lediglich der neue Landtagspr­äsident André Kuper (CDU). Aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt: Das Landtagspr­äsidium muss alle Ausschuss-Reisen genehmigen. Die entspreche­nden Anträge, mit denen die Ausschüsse den Sinn und Zweck ihrer Reisen begründet haben, rückt auch Kuper nicht heraus. Begründung: Es handele sich um Dokumente aus nicht-öffentlich­en Sitzungen. Kuper ist lediglich bereit, die formalen Anlässe der jeweiligen Reisen zu nennen – und es braucht nicht viel Fantasie, um daraus ablesen zu können, warum die Parlamenta­rier über das Thema nicht gerne sprechen.

So verursacht­e in der jüngsten Legislatur­periode ausgerechn­et der Petitionsa­usschuss von allen Gre- mien des Landtags die höchsten Reisekoste­n: Mit 50.000 Euro schlugen seine vier Reisen unter anderem nach Schweden und Frankreich zu Buche. Der Petitionsa­usschuss gilt als vergleichs­weise bedeutungs­loses Gremium. Er ist eine Art Meckerkast­en, an den Bürger sich wenden können, die sich über Behörden beschweren wollen.

Seine teuerste Reise führte 24 Ausschussm­itglieder ins schottisch­e Edinburgh. Kostenpunk­t: 30.777,71 Euro. Anlass laut Landtagspr­äsidium: „Informatio­n über das schottisch­e Petitions- und Ombudsmann­wesen“. Für einen Bruchteil der Reisekoste­n hätte der Ausschuss auch drei der weltbesten Experten für Fachvorträ­ge nach Düsseldorf einladen können.

Die teuerste Reise der vergangene­n Legislatur­periode führte 18 Mitglieder des Rechtsauss­chusses für 37.833,99 Euro nach Israel. Anlass: „Informatio­n über den Jugendstra­fvollzug in Israel, die dortigen Rechte im Strafverfa­hren und die dortigen Besetzungs­verfahren von Gerichten“.

Besonders kurios mutet die Begründung einer Reise des Ausschusse­s für Frauen, Gleichstel­lung und Emanzipati­on nach Norwegen an. Die zwölf Teilnehmer suchten „Informatio­n über die Erfahrunge­n Norwegens mit der dort eingeführt­en Frauenquot­e in Aufsichtsr­äten börsennoti­erter Unternehme­n“, so das Landtagspr­äsidium. Für die Frauenquot­e in Aufsichtsr­äten börsennoti­erter Unternehme­n hat der Landtag keinerlei gesetzgebe­rische Kompetenz. Kostenpunk­t hier: 25.109,43 Euro.

Zu den Reisen mit den höchsten Kosten je Teilnehmer gehörte eine Reise des Kommunalau­sschusses in die USA. Für die elf Teilnehmer zahlte der Steuerzahl­er 37.134,24 Euro – fast 3400 Euro pro Kopf. Anlass: „Informatio­n über die Verwaltung­sstruktur in US-Kommunen und über die kommunale Daseinsvor­sorge vor dem Hintergrun­d finanziell­er Schwierigk­eiten“. 14 Mitglieder des Innenaussc­husses brauchten wiederum sechs Tage, um sich für 24.235,75 Euro in Mailand, Rom und Neapel über die Sicherheit in Fußballsta­dien und die Bekämpfung der organisier­ten Kriminalit­ät zu informiere­n.

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