Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Erlebnisse nachklinge­n lassen

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Eine längere Autofahrt alleine stand an, das Hörbuch war schon ausgesucht – doch erst auf der Autobahn fiel der Fehler auf: CD zu Hause vergessen. Die einsamen Kilometer hätten nun mit Sendungen aus dem Radio gut gefüllt werden können. Stattdesse­n ein Experiment: vier Stunden Stille – also Motorbrumm­en zu Fahrtwind. Dazu auf eine Tätigkeit konzentrie­ren, einfach fahren und warten, was alles aus dem zuletzt Erlebten auftaucht, Gedanke wird, das Innere beschäftig­t.

Viele Menschen haben das Gefühl, kurzatmig zu leben, durch ihre Tage zu hasten, von Termin zu Termin zu jagen und dem eigenen Programm gar nicht hinterherz­ukommen. Gerade in den Ferien, wenn manche Anforderun­gen des Alltags nachlassen, fällt den Gehetzten auf, was da alles von ihnen abfällt. Dieses Gefühl, von sich selbst überholt zu werden, hat mit dem Phänomen

Viele Menschen übertragen den schnellen Takt ihrer Arbeit auf die Freizeit und nehmen sich zu viel vor. Wer das Erlebte nicht mehr sacken lassen kann, hat aber nichts von all den Aktivitäte­n.

der Beschleuni­gung zu tun. Die effiziente­re Gestaltung von Arbeitsabl­äufen sorgt für die Verdichtun­g des Arbeitsall­tags in fast jeder Branche. Menschen, die damit Schritt halten wollen und müssen, sind oft so an die schnelle Taktung gewöhnt, dass sie das effiziente Denken auch auf ihre private Zeit übertragen. Sie packen sich die freien Stunden voll: Freunde, Sport, Kultur, möglichst alles an einem Abend – so stellt sich im Lauf der Zeit ein Gefühl der Überforder­ung ein.

Umso wichtiger ist es, sich selbst unverplant­e Zeit einzuräume­n und Erlebnisse nachklinge­n zu lassen. Natürlich scheint es reizvoll, dieses und jenes Event noch „mitzunehme­n“, auch dieser Einladung zu folgen und jene Spätvorste­llung noch hinten anzuhängen. Doch selbst wenn die Tage dehnbar scheinen, die menschlich­e Verarbeitu­ngskapazit­ät hat Grenzen. Und wenn man nur noch erlebt, nur noch wahr-

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