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Al Dschasira fällt bei Netanjahu in Ungnade

Israels Regierungs­chef will den katarische­n Sender verbieten lassen. Die Journalist­en kontern, damit schade sich Israel nur selbst.

- VON SUSANNE KNAUL

JERUSALEM Dem katarische­n Fernsehsen­der Al Dschasira droht die Schließung in Israel. Regierungs­chef Benjamin Netanjahu kündigte an, die notwendige­n Schritte einzuleite­n, um die Journalist­en aus Katar des Landes zu verweisen. „Al Dschasira setzt die Hetze für Gewalt rund um den Tempelberg fort“, schrieb Netanjahu auf seiner Facebook-Seite. Der Sender habe einseitig über die Krise berichtet. Gut zwei Wochen lang hatten muslimisch­e Gläubige gegen israelisch­e Sicherheit­smaßnahmen am Tempelberg demonstrie­rt. Bei den gewalttäti­gen Protesten waren insgesamt fünf Palästinen­ser erschossen worden.

Es sind keine leichten Zeiten für Al Dschasira. Katars Regierung soll den staatliche­n Sender schließen – das war vor wenigen Wochen eine der Forderunge­n der arabischen Staaten Ägypten, Bahrain, SaudiArabi­en und der Vereinigte­n Arabischen Emirate im Konflikt mit Katar. Seit drei Jahren schon sitzt in Kairo ein Al-Dschasira-Reporter hinter Gittern, und Dutzende Mitarbeite­r mussten kündigen. Ägypten warf dem Sender unfaire Berichters­tattung über den Syrien-Krieg vor.

Das demokratis­che Israel hingegen gilt als Paradies für Journalist­en im Nahen Osten, und Al Dschasiras Arbeit stand bislang nichts im Weg. Die Kataris unterhalte­n ihre Jerusaleme­r Büros im gleichen Komplex, in dem auch das staatliche israelisch­e Presseamt sitzt. Für die Mitarbeite­r von Al Dschasira bedeutet das kurze Wege zur Akkreditie­rung. Einmal im Jahr muss der israelisch­e Presseausw­eis erneuert werden – gewöhnlich unproblema­tisch.

Dann aber stießen offenbar Videoaufna­hmen eines zum Gebet niederknie­nden muslimisch­en Mannes, dem ein israelisch­er Sicherheit­sbeamter einen Fußtritt gibt, auf Netanjahus Unmut. Die Sicherheit­skräfte hätten bei einem gewaltlose­n Protest, so der Kommentar aus dem Off, ohne Grund angegriffe­n.

Die „Realität auf der Straße“zu zeigen, gelobt Walid Omary, Bürochef von Al Dschasira in Israel. Dass andere Staaten im Nahen Osten den Sender boykottier­en, findet er „nicht überrasche­nd“. Aber warum sollte Israel, „die einzige selbst ernannte funktionie­rende Demokratie in der Region“, sich dem anschließe­n? Omary kommentier­te den israelisch­en Plan, seinen Sender zu verbieten, diese Woche in der liberalen Tageszeitu­ng „Haaretz“: Al Dschasira sei „zum Pionier in einer Region geworden, die über Jahrzehnte nur mit Propaganda gefüttert wurde“.

Die meisten Araber hätten bis 1996, als Al Dschasira auf Sendung ging, „nie das Gesicht eines Israelis in einem arabischen TV-Sender gesehen“. Omary will es nicht in den Sinn, warum Israel, eins der wenigen Länder in der Region, die Al Dschasira stets unbehellig­t arbeiten ließen, ausgerechn­et den Sender schließen will, der Israel „die seltene Gelegenhei­t“gebe, seine Stadtpunkt­e einem arabisch-muslimisch­en Publikum darzulegen und „am Dialog mit ihnen teilzunehm­en“.

Aktuell bietet die israelisch­e Gesetzlage offenbar keine ausreichen­de Grundlage für die geplante Schließung. Netanjahu kündigte deshalb an, „für eine entspreche­nde Änderung der Gesetze zu sorgen, um die Mitarbeite­r des Senders aus Israel auszuweise­n“. Zuständig für die nötigen Reformvors­chläge ist Kommunikat­ionsminist­er Ajub Kara, der bereits an einem entspreche­nden Entwurf arbeitet. „Die Änderung von Gesetzen, um eine Medienorga­nisation zu verbieten, ist ein rutschiger Abhang”, warnte unterdesse­n der Verband der Auslandsko­rresponden­ten, in dem einige Hundert Journalist­en aus aller Welt organisier­t sind, darunter 30 Mitarbeite­r von Al Dschasira. Aus dem Hauptquart­ier des katarische­n Senders in Doha verlautete, dass man „die notwendige­n legalen Gegenmaßna­hmen“einleiten werde, um das Verbot zu verhindern.

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FOTO: DPA Israels Regierungs­chef Benjamin Netanjahu 2015 bei einem Fernseh-Interview in seinem Jerusaleme­r Büro.

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