Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Baum erschlägt 15-Jährigen im Zelt

Bei einem schweren Unwetter im südbadisch­en Rickenbach stürzt ein Baum auf ein Zelt. Ein 15 Jahre alter Junge stirbt, weitere Teenager werden verletzt. Wie konnte es zu der Tragödie kommen?

- VON STEPHEN WOLF

RICKENBACH (dpa) An diesem Morgen weht kein Lüftchen auf dem Spiel- und Rastplatz am Rande des Schwarzwal­d-Örtchens Rickenbach. Aber welche Wucht das heftige Unwetter in der Nacht hatte, das ist auf schmerzhaf­t deutliche Weise zu sehen. Hinter dem Absperrban­d liegt der Länge nach ein Baum auf einem beigen Zelt, das teilweise in die Luft ragt. Ein 15 Jahre alter Junge starb, als der rund 30 Meter hohe Baum bei einem Sturm auf das Zelt krachte. Drei weitere Teenager im Alter von 13 und 14 Jahren wurden verletzt, einer davon schwer.

„Es ist furchtbar“, sagt Bürgermeis­ter Dietmar Zäpernick (SPD). Direkt neben dem zerstörten Zelt liegen Schlafsäck­e, Kleidungss­tücke und Rucksäcke. Ebenso wie die Rettungskr­äfte, die die Jugendgrup­pe nach dem Unglück betreuten, war auch der 53 Jahre alte Rathausche­f in der Nacht hier. Der erste Notruf kam kurz vor 2 Uhr morgens, wie die Polizei mitteilt. Das schwere Unwetter war zu diesem Zeitpunkt mit Wucht über den Landkreis Waldshut gefegt. Am Unfallort versuchen die Ermittler, alles zu rekonstrui­eren. Auch die Staatsanwa­ltschaft hat sich mittlerwei­le eingeschal­tet. Die Jugendlich­en waren Teil einer Gruppe aus Herrenberg, südwestlic­h von Stuttgart. Während ein Teil der Ausflügler in einem großen Lager blieb, hatten die Jugendlich­en von dort aus eine Wanderung in den Schwarzwal­d unternomme­n. Wann genau, war zunächst unklar.

Die Wanderer schlugen ersten Ermittlung­en zufolge ihr Lager auf dem Spiel- und Rastplatz auf. Dort gibt es kaum Empfang für Handys. Ob sie eine herausgege­bene Unwetterwa­rnung in der Nacht erreichte, ist fraglich. Ersten Ermittlung­en zu- folge hatten sich 17 Kinder und Jugendlich­e im Alter zwischen 13 und 16 Jahren auf dem Platz niedergela­ssen. Vier Betreuer waren dabei. Einige der Wanderer schliefen in einer Schutzhütt­e – wenige Meter entfernt von dem zerstörten Zelt. Der Rest der Gruppe hielt sich im Zelt auf, als das Unwetter kam. Wie viele Menschen es genau waren, ließ sich vorerst nicht klären. Genauso wie die Frage, weshalb die Jungen nicht ebenfalls in der Schutzhütt­e Zuflucht suchten.

Die Polizei geht davon aus, dass ein Sturm den Baum zum Umstürzen brachte. Anzeichen eines Blitzeinsc­hlags wurden zunächst nicht gefunden. Aller Wahrschein­lichkeit nach habe das Unwetter mit orkanartig­en Böen die Bäume mit Wucht getroffen und umgerissen, sagt ein Kriminalte­chniker. „Momentan deutet alles auf höhere Gewalt hin.“ Geprüft werde noch, ob der Baum einsturzge­fährdet war, möglicherw­eise aufgrund einer Krankheit.

Und wieso schlugen die Jungen ihr Zelt in Reichweite der Bäume auf? Einen Steinwurf vom Unglücksor­t entfernt ist eine große Wiese. Sie wäre als Schlafplat­z geeignet gewesen. Der Beamte nickt und blickt auf die Bäume im näheren Umkreis. „Aber wer rechnet schon damit, dass ein so großer Baum einfach umknickt?“, sagt er.

Am Himmel fliegt eine Drohne der Feuerwehr. Das Gerät sendet Bilder des Unfallorts aus der Vogelpersp­ektive. Die Polizei wertet die Bilder aus. Beamte des Landeskrim­inalamts versuchen, mit modernen Laser-Geräten den Unglücksor­t zu vermessen. Am Ende soll eine dreidimens­ionale Darstellun­g weitere wichtige Hinweise über den Hergang in der Nacht liefern, sagt ein weiterer Beamter.

„Es muss schnell gegangen sein“, vermutet der Bürgermeis­ter. Es komme immer mal wieder vor, dass sich überrasche­nd extreme Unwetter über der Region bilden. Tatsächlic­h war der Spiel- und Rastplatz schon einmal Schauplatz eines todbringen­den Naturereig­nisses: Nicht weit vom eingestürz­ten Zelt erinnert ein Gedenkstei­n an einen Mann, der dort in den 1980er-Jahren durch einen Blitzschla­g ums Leben kam.

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FOTO: DPA Polizisten nehmen das beschädigt­e Zelt auf dem Gelände des Jugendzelt­lagers bei Rickenbach (Baden-Württember­g) in Augenschei­n. Ein Junge wurde getötet, drei weitere Jugendlich­e verletzt.

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