Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nur Mario Draghi bewegt die Börse

Trump, Russland und der Streit um den Brexit beherrsche­n die Schlagzeil­en. Doch die Notenbanke­n sind und bleiben der wichtigste Einflussfa­ktor an den Börsen. Jedes Wort des EZB-Präsidente­n Mario Draghi wird aufmerksam verfolgt.

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Was macht Anleger eigentlich nervös? Donald Trump nicht mehr. Die Wahl in Frankreich? Auch nicht. Die wurde zur Kenntnis genommen, genau wie das anhaltende Gezerre um die Brexit-Bedingunge­n. Alles Themen, die sehr bedeutsam sind für die Welt und die Medien, aber die Börsen in den vergangene­n Monaten kaum beeinfluss­ten. Also wer oder was bitteschön vermag die Börsen in Aufregung zu versetzen?

Die Antwort lautet: Mario Draghi, Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Ein jüngst gesagter kurzer Satz reichte aus, um Investoren maximal zu verunsiche­rn – weltweit. Die Geldpoliti­k beginne, Inflations­druck zu erzeugen, hatte Draghi gesagt. Darauf rutschten die Aktienund Anleihekur­se ab; der Euro legte gegenüber anderen Währungen kräftig zu. Zumindest für kurze Zeit.

Die Investoren hatten aus Draghis Worten geschlosse­n, die EZB könnte langsam die Zinswende einleiten. Ein höheres Zinsniveau würde Aktien, insbesonde­re aber bereits begebene Anleihen unattrakti­ver machen. Aber ist ein nachhaltig­er, deutlicher­er Anstieg der Zinsen in der Eurozone überhaupt realistisc­h?

Nein, das ist er nicht. Die EZB ist Gefangene ihrer eigenen Zins- und Rettungspo­litik. Ohne den niedrigen Zins wären die hoch verschulde­ten Euro-Länder pleite, würden viele angeschlag­ene Banken in Südeuropa zusammenbr­echen und die Statik des Finanzsyst­ems gefährden. Dem Euro drohte das Aus.

Draghis Verspreche­n, die Gemeinscha­ftswährung um jeden Preis retten zu wollen, wäre gebrochen. Das wird der EZB-Chef nicht zulassen. Seine Amtszeit endet 2019. So lange wird er weitermach­en wie bisher. Sein Nachfolger wird es vermutlich auch tun. Eine Umkehr der Geldpoliti­k ist ohne größere Kollateral­schäden kaum mehr möglich. Das macht es so schwer, ja geradezu unmöglich für die Zentralban­k.

Investoren wissen um die möglichen Schäden, die eine echte „Zinswende“nach sich zöge – einerseits. Anderersei­ts erscheint es vielen geradezu unglaublic­h und damit unmöglich, dass der Zins noch sehr viel länger niedrig bleibt. So etwas hat es bislang schließlic­h nicht gegeben. Irgendwann, so die weit verbreite Haltung, werde der „Spuk“schon vorbei sein.

Das führt dazu, dass jede Regung, jeder Halbsatz eines prominente­n EZB-Vertreters auf ihre geldpoliti­schen Auswirkung­en hin abgeklopft wird. Jeder Satz von Mario Draghi wird auf die Goldwaage gelegt und in Erwartung einer bevor- stehenden Zinswende womöglich überinterp­retiert. An den Börsen dürfte das in Zukunft immer wieder für Nervosität sorgen – und die Kurse durcheinan­der wirbeln. Die Geldpoliti­k ist und bleibt der entscheide­nde Einflussfa­ktor auf die Börsen. Der frühere US-Präsident Bill Clinton würde vermutlich sagen: „It’s the central bank, stupid!”

Ich kann Anlegern nur raten, Ruhe zu bewahren. Seien Sie sich der Zwänge, denen die Europäisch­e Zentralban­k unterworfe­n ist, bewusst. Der Zins wird noch lange vergleichs­weise niedrig bleiben – und der Euro daher schwach. Die Sparer in Deutschlan­d sind gleich doppelt gekniffen: Ihre Zinsanlage­n werfen nicht genügend Rendite ab, um die Inflation ausgleiche­n zu können. Und außerhalb der Eurozone ist der Euro weniger wert.

Anleger sollten ihr Vermögen deshalb breiter aufstellen. Ein erster Schritt raus aus der reinen EuroFestzi­nsanlage wäre ein Anfang. Die Kursschwan­kungen, die Mario Draghi auslösen dürfte, könnten dabei helfen. Sie bieten womöglich das ein oder andere Sonderange­bot am Aktienmark­t. DER AUTOR IST GRÜNDER UND VORSTAND DER FLOSSBACH VON STORCH AG IN KÖLN.

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FOTO: VON STORCH Kurt von Storch

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