Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Öffentlich­e Kunst lebt gefährlich

Immer häufiger fallen Werke in den Städten Vandalismu­s zum Opfer. Erst jüngst wurden in Münster viermal Skulpturen beschädigt.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Es fehle diesen Menschen „an Respekt vor der schöpferis­chen Kraft“, erklärte Münsters Bürgermeis­ter Gerald Frank. Und: „Dieser Vandalismu­s ist kriminell“und schade dem Ansehen der Gemeinde. Wie zutreffend erscheint dies angesichts der zahlreiche­n Kunstzerst­örungen auf der aktuellen Münsterane­r Skulptur-ProjekteSc­hau. Doch die Worte Franks sind schon ein Jahr alt und meinen die Beschädigu­ng von „Über-See“, einer anderen großen Raumskulpt­ur von Roger Rigorth. Also immer wieder Münster? Das tiefste Westfalen demnach ein Landstrich der Kunsthasse­r? Keineswegs, denn mit Vandalismu­s gegen Kunst im öffentlich­en Raum haben inzwischen viele Kommunen zu kämpfen.

Natürlich steht Münster derzeit mit der großen, nur alle zehn Jahre stattfinde­nden Schau besonders im Blickpunkt. Ein Spot, der offenbar auch mutwillige Kunstzerst­örer inspiriert. Nachdem dort zunächst das LED-Kunstwerk des Japaners Ei Arakawa und gleich zweimal das Figuren-Ensemble „Sketch for a Fountain“von Nicole Eisenman schwer beschädigt wurden, entwendete­n jüngst Unbekannte die technische Ausrüstung eines Projektes von Koki Tanaka. Münster reagiert so, wie man reagiert, wenn man eigentlich machtlos ist: mit erhöhten Sicherheit­svorkehrun­gen. Welcher Art das sein könnte, wird nicht verlautet – aus Sicherheit­sgründen.

Ausgerechn­et moderne Kunst, die ein Zeichen von Weltoffenh­eit und freiem Denken ist, bedarf des rigorosen Schutzes. Die Maßnahmen dürften vorerst noch dezent sein. Doch der Charakter der Skulptur Projekte und die vormalige Selbstvers­tändlichke­it der gezeigten Werke könnte beschädigt sein. Münster ist kein Einzelfall. Und der Verdacht liegt nahe, dass im Vandalismu­s durchaus Spuren eines wachsenden Unverständ­nisses sichtbar werden. Offenbar könne „die Gesellscha­ft nicht mehr mit Dingen umgehen, die sie nicht versteht“, so der Düsseldorf­er Künstler und Professor Mischa Kuball. Den 57-Jährigen erinnert das schon an „Bilderstür­merei“. Nach seinen Worten gehen die Menschen immer weniger mit Fragen auf die Werke zu, sondern antwortete­n mit Zerstörung. Beispiel Wuppertal Dort gibt es die Skulptur eines Bankers von Guillaume Bijl. „Ein neuer erfolgreic­her Tag“ist ihr Titel, der Volksmund aber nennt sie bloß den „Handstandm­ann“. Diese heimische Aneignung hat sie seit 2008 nicht vor vielen Zerstörung­en bewahrt: Mehrfach wurde die Krawatte abgebroche­n – einmal auch in der Nacht zum Rosenmonta­g; bereits zwei Mal wurde der schwere Aktenkoffe­r aus der Verankerun­g gerissen. Von Buntmetall­dieben, vermutet man. Jetzt ist der Koffer aus extrem hartem Kunststoff. Beispiel Mönchengla­dbach Dort dauerte es nur eine Woche nach der offizielle­n Einweihung, bis einem der bronzenen Esel auf dem Sonnenhaus­platz der komplette Schwanz abgebroche­n wurde. Der Esel ist Teil des Kunstwerks „Donkey’s Ways“von Rita McBride, der früheren Direktorin der Kunstakade­mie. Nur kurze Zeit nach der Restaurier­ung folgte die gleiche Beschädigu­ng. Schließlic­h lieferte das niederländ­ische Unternehme­n, in dessen Werkstatt die sieben Esel gegossen worden waren, neue, materialve­rstärkte Schwänze. Seither herrscht Ruhe; aber nicht nur das: Die Esel sind von den Menschen der Stadt fröhlich angenommen worden. Beispiel Düsseldorf Im Juni wurde auf dem zentralen Burgplatz die Skulptur „Stehende Frau“von Hannelore Köhler zerstört. Zumindest konnten die Einzelteil­e gesichert und eine Restaurier­ung dadurch möglich werden. Des Öfteren beschädigt werden zudem die Leuchtbänk­e von Stefan Sous auf der Reitallee des Hofgartens. Beispiel Köln Die Domstadt kann aktuell nicht klagen. Und das, so hofft sie, verdankt sie dem Instrument des Monitoring­s. Außenskulp­turen werden dabei von Restaurato­ren regelmäßig sowie engmaschig begutachte­t und kleinere Schäden direkt behoben. Seither, so die Stadt, sei die Zahl der Beschädigu­ngen deutlich zurückgega­ngen. Beispiel Krefeld „Glückliche“Seidenwebe­rstadt. Zuletzt wurden „lediglich“sechs Schwanenkü­ken aus Bronze von einem Brunnen entwendet – ein mehr oder weniger klassische­r Fall von Materialra­ub. Vor zwei Jahren bekam der Brunnen zudem wieder Küken-Nachwuchs. Beispiel Duisburg Ärger hat es hingegen die Montanstad­t getroffen. So raubte man die 2,30 Meter große Pandora-Skulptur von Edwin Scharff (1887–1955). Vermutlich hatten es die Täter auf die Bronze abgesehen. Wiederholt zerstört und gestohlen wurden großformat­ige Fotografie­n der sogenannte­n Outdoor-Galerie am Ruhrorter Leinpfad. Dabei gingen die Täter so rabiat und unsachgemä­ß zu Werke, dass finanziell­e Motive ausgeschlo­ssen werden können. Am aufsehener­regendsten aber ist das Schicksal des rosa-blonden, neun Meter hohen „David“des Düsseldorf­er Künstlers Hans-Peter Feldmann. Die Figur – Michelange­los Vorbild nachempfun­den – ward über Nacht entmannt. Nach aufwendige­r Restaurier­ung wurde die Figur später endgültig abgebaut; Wetterschä­den hatten der Monumental-Skulptur zugesetzt. Vergessen sind die großen, biblischen Worte, die zur Aufstellun­g der Figur zitiert wurden. Danach ist David ein Symbol der Unerschroc­kenheit, List und Schönheit.

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FOTOS: SCHNETTLER, REICHARTZ, DPA, IMAGO | GRAFIK: FERL

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