Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Golfpartie unterm Förderturm

Er gilt als extremster Golfplatz Deutschlan­ds: mit den neun leichteste­n und den neun schwersten Löchern auf einer Runde. Dabei hat der heute grüne Berg Lüderich bei Overath eine graue Geschichte, die unter Greens schlummert.

- VON GUIDO WAGNER

PLOCK Ein guter Abschlag. Der Ball fliegt weit – und zielgenau. Sabina Henrich verfolgt ihn mit den Augen, bis er in guter Position unweit der Flagge von Loch 18 landet. „Bergmann“wird es auch genannt und erinnert wie der historisch­e Förderturm an die Zeit vor nicht mal 40 Jahren, als hier auf dem Berg noch nicht Golf gespielt, sondern Erz abgebaut wurde.

Während die Golfer am Abschlag 18 ihre Ausrüstung zusammenpa­cken, steuert Sabina Henrich ihr Elektromob­il die steilen Schotterwe­ge zur Bahn 15 hinunter. Vor sechseinha­lb Jahren hat die gelernte Kauffrau, die vorher in einem Modevertri­eb gearbeitet hat, den Golfplatz auf dem Lüderich übernommen. Ende der 1990er Jahre hatte der Vorbesitze­r ihn auf dem ehemaligen Industrieg­elände der 1978 geschlosse­nen Grube Lüderich angelegt. „Damals ist er erst belächelt worden“, erinnert sich Sabina Henrich, die selbst seit ihrem 13. Lebensjahr Golf spielt. „Viele konnten sich nicht vorstellen, dass die Bälle nicht immer wieder ins Tal rollen. Aber er hat Terrassen angelegt.“

Jede davon hat eine andere Form. An den Hängen dazwischen wachsen Bäume und Büsche, Wege schlängeln sich in Serpentine­n von einer zur nächsten Bahn. Rund 360 Höhenmeter absolviert ein Golfer bei einer Platzrunde. Deshalb wird die Anlage im Golfer-Jargon auch „Bergziegen-Platz“genannt, man ist viel unterwegs, und auf einigen Bahnen schlägt man den Ball „blind“Richtung Green. Außer dem historisch­en Förderturm auf dem Berg, der auch das Logo des Golfclubs „Der Lüderich“bildet, erinnert heute kaum noch etwas an die frühere Nutzung des Geländes. Sabina Henrich erzählt gerne schon den Teilnehmer­n von Schnupperk­ursen, zu denen man sich ohne Vorkenntni­sse anmelden kann, von der Bergbauges­chichte, vom zweitältes­ten Förderturm Deutschlan­ds, in dessen Maschinenh­aus sich heute neben dem Bistro auch ihr Büro befindet, und von den mehr als 1000 Bergleuten, die noch Mitte des vergangene­n Jahrhunder­ts auf der Buntmetall­erz-Grube Lüderich gearbeitet haben.

„Ich finde es wichtig, dass die Erinnerung nicht verloren geht“, sagt die geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin Sabina Henrich des Golfclubs. Regelmäßig hat sie auch ehemalige Bergleute zu Gast – zum Klöntreff auf der Gezähekist­e. „Seit es den neuen Bergbauweg des Bergischen Wanderland­es gibt, der direkt bei uns am Förderturm vorbeiführ­t, kommen auch eine ganze Reihe Wanderer vorbei, die im Bistro natürlich auch willkommen sind“, erzählt sie und steuert das Elektromob­il an einer kleinen Blitzschut­zhütte vorbei die Serpentine­n hinunter. „Ein bisschen wie in Österreich“, sagt sie lächelnd und stoppt an Loch 14, wo Head-Greenkeepe­r Alexander Böntgen gerade mit einer Spezialmas­chine die Grüns „bügelt“, wie er erklärt. Das freut die Herrengolf­er, die im Anmarsch sind.

Bevor Böntgen zum Lüderich kam, wo er mit vier Kollegen für Grüns, Sandbunker, Wasserhind­ernisse und Grünanlage­n zuständig ist, hat er für renommiert­e Golfclubs in England, Schottland, Frankreich und Amerika gearbeitet. Was ihn zum Lüderich lockte? „Das Extreme des Platzes“, sagt der 33-Jährige, der die Ruhe auf dem Berg morgens um fünf ebenso schätzt wie die Atmosphäre in der Dämmerung.

„Er weiß, was man aus einem Platz rausholen kann“, sagt Sabine Henrich anerkennen­d und steuert die Driving Range an. Von dort können Golfer Bälle über einen gewaltigen Hang hinunter Richtung Tal schlagen – bei einem fasziniere­nden Ausblick. Marc Koenen, einer der beiden Golflehrer auf dem Lüderich, trainiert gerade einen Schüler. Koenen arbeitet erst seit März auf dem Lüderich, Sabina Henrich hat die Golfschule ganz neu aufgestell­t – mit offenen Gruppenkur­sen, für die man sich neben der klassische­n Einzelstun­de auch kurzfristi­g übers Internet anmelden kann.

„Wir versuchen, das alles ganz unkomplizi­ert zu machen“, sagt die Geschäftsf­ührerin, für die der Golfplatz auch eine kreative Plattform ist: Ob Schäl-Sick-Challenge, Curry-Wurst-Cup oder Events in der Panoramaba­r – „die Ideen gehen mir nicht aus“, sagt sie, lächelt und gibt wieder Gas in dem kleinen Elektromob­il. Steil geht’s zurück zum Office im historisch­en Maschinenh­aus. Der Golfplatz sei, „ wie ein großes Hotel, nur ohne Dach“, sagt Sabina Henrich und begrüßt den nächsten Gast am Office-Tresen.

Draußen vor dem Bistro sitzen zwei Golferinne­n bei Latte Macchiato in der Sonne. Nach einer knapp viereinhal­bstündigen Platzrunde haben sie sich den auch redlich verdient. Golfen auf dem Lüderich ist wie eine kleine Bergtour.

„Viele konnten sich nicht vorstellen, dass die Bälle nicht immer wieder ins Tal rollen“

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Solch einen Ausblick gibt es für die Golfer auf dem Platz en masse.
 ??  ?? Im Schaubergw­erk des Bergischen Museums für Bergbau, Handwerk und Gewerbe gibt es Originalst­ücke.
Im Schaubergw­erk des Bergischen Museums für Bergbau, Handwerk und Gewerbe gibt es Originalst­ücke.
 ??  ?? Golflehrer Marc Koenen zeigt, wie es geht, und korrigiert die Haltung.
Golflehrer Marc Koenen zeigt, wie es geht, und korrigiert die Haltung.
 ??  ?? Der alte Hauptschac­ht des Bergwerks ist auch von Weitem gut sichtbar.
Der alte Hauptschac­ht des Bergwerks ist auch von Weitem gut sichtbar.

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