Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Invasion der Kanada-Gänse

Die Population der Tiere hat sich fast verdreifac­ht. Besonders der Volksgarte­n hat es den Vögeln angetan. An einem warmen Sommertag sind dort bis zu 200 Tiere zu sehen. Jetzt haben betroffene Städte einen Arbeitskre­is gegründet.

- VON SEBASTIAN ESCH

In Reih und Glied, meist zu dritt nebeneinan­der, watscheln sie in Scharen über die Wege im Volksgarte­n. Rund 200 sind es heute bestimmt. Entgegenko­mmende Fußgänger, Radfahrer oder Kinderwage­n werden gekonnt ignoriert. Das sind ihre Wege und da watscheln sie drüber – notfalls drängen sie auch Menschen beiseite. Nein, Aggressivi­tät ist das nicht. Eher ein enormes Selbstbewu­sstsein. Die Rede ist von den Kanada-Gänsen, die inzwischen in immer größeren Population­en in Düsseldorf anzutreffe­n sind.

„Wir führen seit 2008 Statistike­n zur Verbreitun­g der Kanada-Gans und sie hat in der Tat deutlich zugenommen“, erklärt Tobias Krause, Sachbearbe­iter beim Gartenamt. Der Bestand habe sich seit 2008 (rund 300) beinahe verdreifac­ht (2017 rund 850). „Sie haben hier alles, was sie brauchen. Gras zum Fressen, Wasser zum Schutz. Ein Schlaraffe­nland, ideal zum Brüten.“

Dass das vielen Düsseldorf­ern gar nicht gefällt, bekommt das Gartenamt täglich mit. „Wir erhalten dauernd Beschwerde­n“, sagt Krause. Die Tiere würden überall auf den Wiesen Kot hinterlass­en und zudem das Gras wegfressen. „Wir verstehen natürlich, dass sich die Menschen darüber aufregen.“Eine einfache Lösung für das Problem gebe es aber nicht. „Wir könnten die Tiere abschießen oder einfangen lassen, aber auch das bringt am Ende nichts.“Gescheiter­te Versuche seien schon in München zu beobachten gewesen. Dort wurden die Tiere gezielt gejagt und erschossen. Das half aber nicht.

Das liege daran, dass dann andere Gans-Arten aus dem Umfeld auf die nun freien Grasfläche­n kommen würden, denn der ehemalige „Feind“wäre ja plötzlich weg. „Die Population­en aus den Umgebungen tauschen sich einfach aus. Das wäre quasi eine Daueraufga­be für das komplette Rheinland“, sagt Krause. Eine schnelle Lösung sei leider nicht möglich, aber „wir haben mit den umliegende­n Kommunen und der Unterstütz­ung des Ministeriu­ms jetzt einen Arbeitskre­is gegründet, der in der kommenden Woche tagen wird“, sagt Krause. Dabei soll es gezielt um eine Lösung zur Regulierun­g der Tiere gehen.

Der Volksgarte­n ist ein besonderer „Härtefall“. Hunderte Vögel sind auf den Wegen, Wiesen und im Wasser verteilt. Stören tut sich vor Ort daran kaum jemand. „Ich hab zwar etwas Angst, aber mit ein bisschen Abstand geht es gut“, sagt der sechsjähri­ge Christian Herzberg. Er und sein Vater Frederik sind oft im Volksgarte­n. „Seit mein Sohn auf der Welt ist, kommen wir hierher“, erklärt er, „man merkt, dass es deutlich mehr Tiere geworden sind.“Es sei spektakulä­r, wie die Gänse in großen Massen über die Wege marschiere­n. Aggressiv seien sie nicht.

Das bestätigt auch Ivo Dekovic, Professor an der Fachhochsc­hule Aachen, der vor Ort an einem Kunstproje­kt arbeitet. „Sie sind auf jeden Fall die am stärksten vertretene Tierart hier im Park.“Angreifen würden die Tiere aber niemanden. Vorsicht sei dennoch angebracht. „Als Fahrradfah­rer muss man aufpassen, die weichen nicht aus.“

Dass die Population ausgerechn­et im Sommer explodiert, liegt an der sogenannte­n Schwingenm­auser – gemeint ist damit ein Zeitraum von vier Wochen, indem die Tiere einen Großteil der Federn verlieren und nicht mehr in der Lage sind, zu fliegen. „In der restlichen Jahreszeit fliegen die Vögel durch die Region und sind beispielsw­eise unter Autobahnbr­ücken in großer Anzahl anzutreffe­n. Ganz weg sind sie nie“, sagt Krause. Zum Brüten im Sommer kommen sie aber immer zurück zum „Schlupfsee“. Da die Lebenserwa­rtung mehr als 20 Jahre beträgt, kommt es so zur Vermehrung und dem Anwachsen der Population.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Kanada-Gänse stören im Volksgarte­n Besucher beim Sonnenbade­n.

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