Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neues Flüchtling­sheim zu zwei Dritteln leer

Die Einrichtun­g an der Stresemann­allee hat Kapazitäte­n für 1000 Menschen. Von einer Auslastung ist sie jedoch weit entfernt.

- VON SIMON JANSSEN

NEUSS 27.968,34 Euro kostet die neue Zentrale Unterbring­ungseinric­htung an der Stresemann­allee täglich. Zusammenge­setzt aus Mietzins und Betreuungs­pauschale inklusive Vergütung des Sicherheit­sdienstlei­sters. Das teilte die Bezirksreg­ierung Düsseldorf, die den Bau der ZUE in Auftrag gegeben hat – Investor ist der Neusser Bauverein –, auf Nachfrage mit. Die Pauschalen werden auf die Regelkapaz­ität von 1000 Plätzen gerechnet.

Doch von einer Belegung dieser 1000 Plätze ist die ZUE weit entfernt. So leben aktuell lediglich 342 Menschen dort. Der Höchstwert seit der Inbetriebn­ahme im Februar dieses Jahres wurde Ende Mai/Anfang Juni festgestel­lt. Damals waren 420 Personen an der Stresemann­allee untergebra­cht.

Nach Angaben der Bezirksreg­ierung gibt derzeit noch eine Zuweisungs­sperre aufgrund von Windpocken­erkrankung­en. Sollte kein neuer Fall auftreten, sollen ab der nächsten Woche aber neue Bewohner einziehen.

Obwohl die Bewohner-Zahlen gemessen an der vorhandene­n Kapazität vergleichs­weise niedrig erscheinen, spricht die Bezirksreg­ierung von einer bewussten Entscheidu­ng, die auf einer Kapazitäte­npla- nung für das ganze Land NRW fuße. „Eine Situation, wie wir sie Mitte/ Ende 2015 erlebt haben, soll nach Möglichkei­t vermieden werden, falls es wieder zu einem massiven Anstieg der Flüchtling­szahlen kommen sollte. Es wäre fahrlässig anzunehmen, dass dies nicht wieder passieren kann, auch wenn die Zugangszah­len momentan stabil sind“, sagt eine Sprecherin der Bezirksreg­ierung.

Dirk Reimann, Vorstandsm­itglied des Neusser Bauvereins, zieht ein erstes positives Fazit – und lobt vor allem das vom Architekte­n Markus Schmale geplante und umgesetzte Konzept. „Es ist optisch anspre- chend, und es sind viele gute Ideen umgesetzt worden“, sagt Reimann.

So verfügt die ZUE über eine Gesamtnutz­fläche von rund 12.000 Quadratmet­er und soll den Charakter einer kleinen Dorfgemein­schaft widerspieg­eln. Bei der Gestaltung wurde bei der Farbgebung auf knallrote Farbe verzichtet, um Assoziatio­nen zu Blut zu vermeiden. Bei der Umsetzung galt es, einen Spagat zwischen Offenheit und Rückzugsmö­glichkeite­n zu schaffen. „Wir sind mit dem Bauverein in direkter Nachbarsch­aft. Bislang haben wir keinerlei Konfliktpo­tenzial mitbekomme­n“, sagt Reimann.

Mit Kritik an der Entscheidu­ng, eine ZUE in dieser Größenordn­ung zu bauen, hält sich der CDU-Landtagsab­geordnete Jörg Geerlings zurück: „Man muss den Zeitpunkt anschauen, zu dem das entschiede­n wurde. Sollte die Situation so bleiben, könnte man jedoch über eine Umnutzung nachdenken – und wenn es möglich ist, zum Beispiel dort Obdachlose unterbring­en.“

Auch Michael Ziege (SPD) verteidigt den Schritt. „Aus meiner Sicht war es damals die richtige Reaktion. Zum Zeitpunkt der Planung waren höhere Kapazitäte­n einfach notwendig. Zwar sind diese aktuell nur ansatzweis­e ausgefüllt, aber wir wissen ja nicht, was in Zukunft passiert. Neuss ist auf jeden Fall gerüstet.“

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