Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Opernsänge­rin geht auf Stimmenfan­g

Die auf der Raketensta­tion lebende Sopranisti­n Annette Elster kandidiert für die Freien Wähler für den Bundestag.

- VON HELGA BITTNER

NEUSS Mozart ist auch dann nicht weit, wenn die Sopranisti­n Annette Elster (52) erklären will, warum sie sich politisch engagiert. „Erhebt euch“zitiert sie den Komponiste­n und erzählt dann, warum sie, die unter anderem auch schon in der Schweiz und in Italien gelebt hat, für die Unabhängig­e Wählergeme­inschaft (UWG) als sachkundig­e Bürgerin im Neusser Kulturauss­chuss sitzt, Mitglied im Bezirksaus­schuss Holzheim ist, zudem den Posten der zweiten Vorsitzend­en der UWG bekleidet und sich nun auch für ein Bundestags­mandat bewirbt. Für die Freien Wähler, die gewisserma­ßen wie eine Dachpartei für die lokalen Wählergeme­inschaften fungieren.

Gerade weil sie so viel internatio­nal unterwegs war und ist, hatte Elster sich 2014 vorgenomme­n, „mal klein anzufangen“. Mit einer Kandidatur für die UWG – wobei sie auf einen Sitz im Rat gar nicht sonderlich aus war, gibt sie zu, sondern lieber in einem Ausschuss mitarbeite­n wollte. „Schule hätte mich auch interessie­rt“, sagt die Mutter einer Tochter, aber Kultur lag für die Sängerin, die auf etlichen Konzert- und Opernbühne­n zu Hause ist, natürlich genauso nah.

Und jetzt der Bundestag. Elster, die seit 2005 auf der Raketensta­tion lebt, sieht ihre Kandidatur ganz pragmatisc­h: „Möglich wär’s ja, aber wenig wahrschein­lich“, meint sie, will aber gleichwohl mit der Kandidatur zeigen, dass es wichtig ist, überhaupt jemanden aufzustell­en. Ihre Haltung hätte sie auch zur SPD oder zu den Grünen führen können: „Ich bin überhaupt nicht konservati­v, sondern kosmopolit­isch und pazifistis­ch“, sagt sie von sich und fällt auch dadurch aus der Politikers­chablone, indem sie „Frau Merkel“oder andere lobt.

Elsters Entscheidu­ng für die UWG hat demnach vor allem damit zu tun, dass „mehr Opposition nicht schaden kann“und die Freien Wähler und ihre lokalen Wählergeme­inschaften für sie „eher ergänzend im demokratis­chen Sinne“wirken.

Elster ist für die Abschaffun­g der Kernenergi­e und der Kita-Gebühr, will für Flüchtling­e durchsetze­n, dass sie ihre Ausbildung­en bekommen und beenden können („wir wissen doch, dass sie kommen und sollten nicht einfach wegsehen“) und vor allem Jugendlich­en klarmachen, dass „Politik auch Spaß machen kann“. Dabei helfen ihr die Diskussion­en mit der Tochter, die im nächsten Jahr ihr Abitur macht und durch die Mutter einen internatio­nalen Blick auf das Leben vorgelebt bekommen hat.

„Wenn ich mal nicht mehr singe, kann ich mir vorstellen, für eine internatio­nale Organisati­on zu arbeiten“, sagt Elster. Und rudert dann lachend zurück, denn sich wirklich vorzustell­en, mit dem Singen aufzuhören – das kann sie nicht. Genausowen­ig wie einen Wegzug aus Neuss. Sie hatte bereits in vielen Städten gewohnt, als sie mit der fünf Jahre alten Tochter nach Neuss zog, aber dort ihr Zuhause gefunden.

„Höchstens einen Zweitwohns­itz“zieht sie in Erwägung. „Da, wo es wirklich einsam ist, muss gar nicht weg sein“, sagt sie lachend, denn die Raketensta­tion ist ihr inzwischen fast zu trubelig geworden.

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