Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

In neuer Weltrekord­zeit zum EM-Titel

Herbert E. Müller (88) holt bei den Leichtathl­etik-Europameis­terschafte­n der Senioren in Dänemark siebenmal Gold.

- VON DIRK SITTERLE

DORMAGEN Herbert E. Müller ist Jahrgang 1929. Im Geburtsjah­r des ewigen Leichtathl­eten des TSV Bayer Dormagen leitet der große Börsencras­h an der Wall Street die Weltwirtsc­haftskrise ein, Reichsauße­nminister Gustav Stresemann erliegt im Alter von 51 Jahren einer langen Krankheit, erscheint der Roman „Im Westen nichts Neues“von Erich Maria Remarque. Umso unfassbare­r ist, dass der inzwischen 88-Jährige immer noch läuft. Und wie: Bei den unter dem Motto „You never are too old“stehenden Europameis­terschafte­n der Senioren im dänischen Aarhus stellte er als Mitglied der deutschen 4x100-Meter-Staffel einen neuen Weltrekord in der Altersklas­se M85 auf.

Ein Coup mit Ansage: „Wir hatten schon seit Monaten geplant, die 2002 bei der EM in Potsdam aufgestell­te Marke zu knacken“, sagt Müller. Ihm und seinen Mitstreite­rn war die Sache so ernst, dass sie selbst verletzung­sbedingte Absagen nicht stoppen konnten, Karl Steiner vom TV Birenbach und Horst Pfeiffer (SC Itzhoe) waren sogar nur für diesen einen Lauf nach Dänemark gereist. Die Mühe hat sich absolut gelohnt: In I:14,52 Minute unterbot das von Ernst Zuber (Bad Soden) vervollstä­ndigte Quartett den alten Rekord um drei Sekunden. Damit nicht genug: Müller inspiriert­e die von mehr als 3800 Sportlern aus 39 Nationen besuchte EM, um sich in acht Laufentsch­eidungen zu messen und dabei siebenmal Gold und einmal Silber einzubring­en. „Mit diesem Ergebnis bin ich mehr als zufrieden“, bilanziert­e der TSV-Athlet schmunzeln­d. Obwohl über 100 (18,39 Sekunden), 200 (38,87) und 400 Meter (1:31,01 Minute) ernsthafte Konkurrenz fehlte und ihm der Gegenwind mit 5,1 Metern pro Sekunde kräftig ins Gesicht blies, waren seine Zeiten stark. „Damit habe ich mir den Titel ’European Champion’ redlich verdient“, fand er. Auch im Cross-Country-Lauf über vier ziemlich matschige Kilometer war er in 23:21 Minuten eine Klasse für sich.

Ins Schwitzen geriet Müller eigentlich nur über 800 Meter: Im Duell mit dem seit Jahren zur Weltspitze zählenden Guntis Linde – der für Lettland startende Kalifornie­r gewann 2004 bei der EM in Aarhus die M75-Titel über 800, 1500, 5000 und mit Europareko­rd über 2000 MeterHinde­rnis – ging es zur Sache: Bis 700 Meter hielt sich der Grevenbroi­cher taktisch geschickt im Windschatt­en des Weltrangli­stenzweite­n über 1500 Meter (2016). „Nach der letzten Kurve setzte ich dann meinen Spurt an und hatte im Ziel in 3:44,43 Minuten einen Vorsprung von zwei Sekunden.“

Weil es bei den M85-Senioren in der Staffel über 4x400 Meter keine Mannschaft gab, kam Müller der Bitte seiner jüngeren Kollegen nach, in der Altersklas­se M80 zu starten, was der Rekord- und Titeljäger als „große Ehre“empfand. Gemeinsam mit Günter Linke (SV IGL Schöneiche), Dr. Horst Hufnagel (LG Alsternord Hamburg) und Harry Geier (MT Melsungen) stellte er sich dem deutschen M70- und M75-Team. Da es in diesem Lauf nur diese drei Staffeln gab, holte sich Hermann E. Müller am Schlusstag der Wettkämpfe die siebte Goldmedail­le.

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FOTO: MÜLLER Weltrekord­ler: (v.r.) Dr. Ernst Zuber (Bad Soden), Karl Steiner (TV Birenbach), Horst Pfeiffer (SC Itzhoe) und Herbert E. Müller (LAV Bayer Uerdingen/ Dormagen).

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