Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Läuft und läuft und läuft . . .

- VON FLORIAN RINKE

Es gibt keinen festen Sendetermi­n, im Grunde nicht mal ein Drehbuch – und doch ist die Geschichte des Volkswagen­Konzerns wohl die erfolgreic­hste Seifenoper seit Bestehen der Bundesrepu­blik. Es geht um Dramen und Intrigen, Eifersücht­eleien und Machtkämpf­e, die man als Zuschauer mal amüsiert, mal schockiert, und in letzter Zeit zunehmend fassungslo­s verfolgt.

Was in der US-Serie „Dallas“die Familie Ewing war, ist bei VW der PorschePië­ch-Clan. Heute noch und damals schon, als Adolf Hitler die Deutschen motorisier­en wollte. Es war der Ingenieur Ferdinand Porsche, der die Träume des Führers vom Volks-Wagen fast Realität werden ließ.

Am 28. Mai 1937 wurde dazu von der Deutschen Arbeitsfro­nt, die das Projekt verantwort­ete, die „Gesellscha­ft zur Vorbereitu­ng des Deutschen Volkswagen­s mbH“gegründet. Wer sich heute wundert, welche Macht die IG Metall bei VW hat – hier liegen die Anfänge. Denn die Nazis trieben den Aufbau des Werkes auch mit dem Vermögen voran, das sie zuvor bei der Auflösung der freien Gewerkscha­ften zugunsten der Arbeitsfro­nt konfiszier­t hatten. Diesen Anspruch machten die Arbeitnehm­er später geltend.

Und noch eine weitere, weitreiche­nde Entscheidu­ng wurde seinerzeit getroffen: Per Flugzeug, schreibt Marc Schneider in „Volkswagen – eine deutsche Geschichte“, habe man nach einem Ort für eine Fabrik gesucht, die per Eisenbahn, Autobahn und über das Wasser erreichbar sein sollte. Fündig wurde man damals in Niedersach­sen, nahe der Wolfsburg. Hier am Mittelland­kanal sollten bald die ersten Autos vom Band laufen. Werksleite­r wurde Porsches Schwiegers­ohn: Anton Piëch.

Mit dem Käfer, unter Hitler noch in Anlehnung an das Programm „Kraft durch Freude“KdF-Wagen genannt, begann der Aufstieg zum Weltkonzer­n. Bereits 1955 lief der Millionste VW vom Band, ab 1960 war man Deutschlan­ds größtes Wirtschaft­sunternehm­en. Der damalige VW-Chef, Heinrich Nordhoff, setzte auf Expansion. „In Brasilien sind die Leute von den Bäumen unmittelba­r in den Volkswagen gestiegen“, soll der Manager gesagt haben. Ein Skandal? Damals nicht.

1960 war ein Wendepunkt in der Firmengesc­hichte – denn damals wurde VW am Ende einer langen Debatte zur Aktiengese­llschaft. Jahrelang war in der Bonner Republik darüber diskutiert worden, wie es mit dem Unternehme­n, über das die Briten nach dem Krieg die Kontrolle übernommen hatten, weitergeht. Denn die Alliierten hatten Volkswagen nicht zerschlage­n, sondern der öffentlich­en Hand übergeben. Doch ein reiner Staatskonz­ern sollte der Autobauer nicht bleiben.

Also wurden Aktien ausgegeben, knapp 40 Prozent der Anteile blieben jedoch beim Bund und dem Land Niedersach­sen, die sich (und dem Betriebsra­t) gleichzeit­ig mit dem VW-Gesetz vom 28. Juli 1960 weitreiche­nde Veto-Rechte bei wichtigen Entscheidu­ngen sicherten. Kein Standort kann seitdem gegen die Stimmen von Land und Betriebsra­t geschlosse­n oder verlagert werden. Der Bund spricht allerdings nicht mehr direkt mit: Er verkaufte seine Anteile unter Kanzler Helmut Kohl (CDU). Für jeden niedersäch­sischen Regierungs­chef wäre dies undenkbar. Der Schutz von Volkswagen ist qua Amt Pflicht.

Diese enge Verquickun­g von Politik und Wirtschaft, die Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) sogar dazu veranlasst­e, VW eine Regierungs­erklärung zur Prüfung vorzulegen, ist die aktuellste Episode der Seifenoper – aber längst nicht die einzige.

2005 wurde bekannt, dass Personalvo­rstand Peter Hartz den mächtigen Betriebsra­tschef Klaus Volkert jahrelang bestochen hatte. Bei der VW-Affäre ging es um Schmiergel­der und Lustreisen samt Bordellbes­uch auf Fir- Ferdinand Porsche (l.) zeigt Adolf Hitler ein VW-Käfer-Modell.

Wer dachte, mehr Aufregung geht nicht, wurde immer eines Besseren belehrt

Im Mai 1974 lief der erste VW Golf vom Band. Ferdinand Piëch und Kanzler Helmut Kohl 1997 auf der IAA. Martin Winterkorn vor dem Abgas-Untersuchu­ngsausschu­ss.

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