Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Falsche Polizisten erbeuten Millionen

Kriminelle, die sich am Telefon als Polizeibea­mte ausgeben, bereiten dem Landeskrim­inalamt immer größere Sorgen. Laut LKA gibt es schon jetzt mehr dieser Fälle als im gesamten Vorjahr. Die Täter sitzen meist in der Türkei.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFG­ER

DÜSSELDORF Es ist eine perfide Masche, mit der es kriminelle­n Banden aktuell sehr häufig gelingt, ältere Menschen um ihre gesamten Ersparniss­e zu bringen. Sie geben sich am Telefon als Polizisten, Beamte des Bundeskrim­inalamtes und Staatsanwä­lte aus. Besonders hinterlist­ig: Im Display des Angerufene­n erscheint die Rufnummer 110 oder eine andere Nummer der örtlichen Polizei. „Die Kriminelle­n nut- Gerhard Klotter zen das Vertrauen, das die Menschen in die Polizei haben, gnadenlos aus“, sagt Kriminaldi­rektorWolf­gang Hermanns, Dezernatsl­eiter Kriminalpr­ävention des Landeskrim­inalamtes (LKA). „Auf die Opfer wird am Telefon massiver Druck ausgeübt. Das ist sehr heftig.“

Das nordrhein-westfälisc­he LKA beobachtet die Entwicklun­g mit großer Sorge. Hermanns sagte unserer Redaktion, dass die Fälle sehr stark angestiege­n seien. „2016 gab es etwa 1250 Fälle der Betrugsmas­che falscher Polizist am Telefon. Schon zum jetzigen Zeitpunkt des Jahres 2017 sind es deutlich mehr. Wir gehen davon aus, dass sich die Zahl der Fälle in diesem Jahr insgesamt mehr als verdoppeln wird.“Hinzu käme eine nicht unerheblic­he Dunkelziff­er. Damit hätten nach Angaben des LKA „Falsche Polizisten am Telefon“den „Enkeltrick“als größte Betrugsmas­che abgelöst.

Dabei richten die Täter einen Millionens­chaden an. Dem LKA zufolge erbeuteten die Kriminelle­n im vergangene­n Jahr durch Betrugsstr­aftaten „zum Nachteil älterer Menschen“, wie es im Polizeijar­gon heißt, rund 7,9 Millionen Euro. Die Ermittler gehen davon aus, dass diese Zahl bis Ende des Jahres aber noch deutlich höher liegen wird. Der bisher höchste Beuteschad­en einer einzelnen Tat durch „falsche Polizisten“in NRW liegt laut LKA bei 523.850 Euro.

Die Masche der Betrüger ist fast immer gleich: Sie rufen ihr Opfer aus dem Ausland an. Am Apparat meldet sich ein vermeintli­cher Polizist. Dieser erkundigt sich bei seinem Opfer, ob Wertsachen in der Wohnung seien. Man müsse diese in Sicherheit bringen. Deshalb würde gleich ein weiterer Beamter in Zivil vor der Haustür stehen, um die Wertsachen in Empfang zu nehmen. „Ein anderer Vorwand ist, dass die Ersparniss­e auf untergesch­obenes Falschgeld überprüft werden müsste“, betont Gerhard Klotter, Vorsitzend­er der Polizeilic­hen Kriminalpr­ävention der Länder und des Bundes. „Reagiert ein Opfer misstrauis­ch, wird es unter anderem mit dem Hinweis, es behindere eine polizeilic­he Aktion, wenn es nicht mitmache, eingeschüc­htert.“

Die Täter würden ihren Opfern auch erzählen, dass die Polizei Einbrecher festgenomm­en und bei diesen eine Liste mit weiteren geplan-

Lassen Sie sich den Namen nennen, keiner unbekannte­n Person die Tür Übergeben Sie niemals Geld oder Wertsachen wenden Sie sich an die Polizei und erstatten Sie Anzeige

ten Einbruchso­rten gefunden habe. Darauf befände sich die Adresse des Angerufene­n. „Uns ist es daher besonders wichtig, dass über das Thema in Familien gesprochen wird. Dass die Menschen von der Betrugsmas­che wissen und diese am Telefon erkennen“, so Hermanns.

Nach Angaben des LKA rufen die Täter häufig aus „Callcenter­n“in der Türkei an. Sie nutzen dabei das sogenannte „Call-ID-Spoofing“, mit dem die Anzeige einer frei wählbaren Telefonnum­mer – wie etwa der 110 – mittels Internette­lefonie angezeigt werden kann. Die wahre Herkunft des Anrufes wird durch diese Technik nicht nur verschleie­rt, sondern es entsteht beim Opfer auch der Eindruck, der Anruf stamme tat-

keine Auskünfte Vertrauens­person

„Reagiert ein Opfer misstrauis­ch, wird es eingeschüc­htert“ Vorsitzend­er der Polizeilic­hen Kriminalpr­ävention

sächlich von der Polizei. „Bei einem Anruf der echten Polizei erscheint jedoch niemals die Rufnummer 110 im Telefondis­play“, betont Hermanns.

Den Ermittlung­en zufolge handelt es sich um bandenmäßi­g organisier­te Gruppierun­gen. Ihre Opfer sind in der Regel ältere Menschen. Die Chance sei laut Polizei sehr gering, dass die Opfer ihr Geld jemals zurückbeko­mmen. Dennoch gelingt es den Fahndern gelegentli­ch, eine Bande zu fassen. So standen im vergangene­n Jahr sechs Personen wegen gewerbs- und bandenmäßi­gen Betrugs in 39 Fällen vor dem Wuppertale­r Landgerich­t. Ihre Opfer fanden sich in Velbert, Erkrath, Solingen, Moers und Bonn.

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FOTOS: IMAGO, THINKSTOCK GRAFIK: C. SCHNETTLER

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