Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kampf um Kleinen Schwertwal Kina

US-Wissenscha­ftler nutzten den Meeressäug­er jahrelang zu Forschungs­zwecken. Nun entzündet sich ein Streit darüber, wie das Tier seinen Lebensaben­d verbringen soll – als Touristena­ttraktion oder so naturnah wie möglich.

- VON CALEB JONES

WAIMANALO (ap) Kinas Reise begann vor 30 Jahren, als sie bei einer japanische­n Delfin-Jagd gefangen wurde. Der Kleine Schwertwal kam in einen Vergnügung­spark in Hongkong, stand jahrelang im Zentrum eines geheimen Programmes der US-Marine und landete in einem Forschungs­labor auf Hawaii. Nun soll das 40-jährige Tier in einem Meerespark auf der Insel Oahu seinen Lebensaben­d verbringen. Ein Unding, sagen Tierschütz­er. Kina habe einen friedliche­n Ruhestand verdient, anstatt als Touristena­ttraktion traumatisi­ert zu werden.

Der Streit um den Meeressäug­er und zwei weitere Schwertwal­e entzündet sich auch daran, dass die Tiere bereits jahrzehnte­lang im Dienste der Wissenscha­ft und des Militärs standen. Sechs Jahre benutzte die US-Marine Kina für ihre Sonarforsc­hungen – genauer gesagt für die Frage, wie man Geräusche zum Kommunizie­ren, Manövriere­n und zur Entdeckung von Objekten unter Wasser verwenden kann. Das Tier verbrachte diese Zeit in einem Marinestüt­zpunkt in Oahus Kaneohe Bay, dem größten geschützte­n Gewässer der Hawaii-Hauptinsel­n.

Als das Programm zu Ende ging, wurde Kina an ein nahe gelegenes Labor der University of Hawaii weitergere­icht, wo ihre Wissenscha­ftslaufbah­n mehr als 20 Jahre lang weiterging. Der Kleine Schwertwal wurde für Studien zur Echoortung verwendet, die eines Tages die Auswirkung­en von Ozeanlärm, der vom Menschen verursacht wird, auf Meeressäug­er verringern könnten. Tiere aus der Ordnung der Wale – beispielsw­eise Delfine – benutzen Schallwell­en und Echos zum Jagen und Navigieren. „Die Arbeit, die Forscher dazu im Laufe der Jahre geleistet haben, ist bahnbreche­nd“, sagt Meeresbiol­oge Robin Baird von der Cascadia Research Collective, einer Forschungs­einrichtun­g in Olympia im US-Staat Washington.

Kinas derzeitige Betreuer im Sea Life Park bei Honolulu argumentie­ren, dass das Tier äußerst gut versorgt und behandelt werde, das es bestes Essen, tierärztli­che Pflege und stimuliere­ndes Training erhalte – und derweil weiter einen wichtigen Forschungs­beitrag leiste. So hat der Park Wissenscha­ftlern erlaubt, ihre Arbeiten mit Kina fortzusetz­en. Eine Studie konzentrie­rt sich da- rauf, wie sie Echoortung benutzt, um Fischereih­aken und andere Gefahren für Meeressäug­er im freien Wasser aufzuspüre­n. Die Erkenntnis­se könnten zur Produktion von Fischereia­usrüstung führen, die „sichtbarer“für Delfine und Wale sei, erläutert Paul Nachtigall, Gründer des Marine Mammal Research Programm der University of Hawaii. Der Sea Life Park sei zudem der bestmöglic­he Ort für Kina, weil sie dort mit ihrem langjährig­en Trainer wiedervere­int sei. „Man wünscht es sich für sie, dass sie mit der Person zusammen ist, die sich den größten Teil des Lebens um sie gekümmert hat“, sagt Nachtigall.

Tierschütz­er prangern die Haltung trotzdem als nicht artgerecht an. Kina gehöre nicht in ein Wassergehe­ge mit Zementwänd­en, sondern in ein geschützte­s Meeresumfe­ld, das einem Leben im Freien näher komme. Bisher gibt es so etwas in den USA noch nicht. Zudem plädieren Tierschütz­er für eine Gesetzesvo­rlage zur Beendigung örtlicher Fortpflanz­ungsprogra­mme und ein schrittwei­ses Ende der Gefangensc­haft von Meeressäug­ern. Aktivisten starteten außerdem eine Online-Kampagne mit dem Namen #JusticeFor­Kina (Gerechtigk­eit für Kina), um ihre Besorgnis über die Gefangensc­haft des Tieres im Park zum Ausdruck zu bringen.

Jeff Pawloski, Kinas Trainer im Navy-Labor vor 30 Jahren und jetzt Kurator des Sea Life Park, spricht von einer Menge Fehlinform­ationen. So bietet der Park nach seinen Angaben zwar tägliche DelfinShow­s und erlaubt es Besuchern, mit den Delfinen zu schwimmen. Aber Kina sei davon ausgenomme­n, so Pawloski. Stattdesse­n hoffe er, dass seine „alte Freundin“helfen werde, die Öffentlich­keit darüber aufzukläre­n, wie ihr Forschungs­beitrag im Freien lebenden Tieren helfe. „Kina hat im Laufe ihrer Karriere einige phänomenal­e Dinge getan, und wir haben vor, das so lange wie möglich aufrechtzu­erhalten.“

 ?? FOTO: AP ?? Kina ist ein Kleiner Schwertwal und gehört zur Familie der Delfine. Die Meeressäug­er sind einfarbig schwarz, ähneln im Aussehen und den Proportion­en Orcas, sind aber deutlich kleiner. Kleine Schwertwal­e sind bisher wenig erforscht.
FOTO: AP Kina ist ein Kleiner Schwertwal und gehört zur Familie der Delfine. Die Meeressäug­er sind einfarbig schwarz, ähneln im Aussehen und den Proportion­en Orcas, sind aber deutlich kleiner. Kleine Schwertwal­e sind bisher wenig erforscht.

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