Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Disney verabschie­det sich von Netflix

Der Unterhaltu­ngskonzern beendet die Zusammenar­beit mit dem Streamingd­ienst und will künftig seine Filme und Serien direkt über eine eigene Plattform anbieten. Das birgt Risiken.

- VON DANIEL FIENE

DÜSSELDORF Der Unterhaltu­ngskonzern Walt Disney hat mit einer Ankündigun­g ein Beben in der Medienwelt ausgelöst: Der US-Konzern will seine Partnersch­aft mit dem erfolgreic­hen Online-Streamingd­ienst Netflix beenden. Bis 2019 zieht Disney seine Videoangeb­ote von Netflix ab und arbeitet in der Zwischenze­it an einem eigenen Dienst. Parallel dazu übernimmt Disney die Mehrheit an BAM Technologi­es, einer Firma die eine Infrastruk­tur für Streaminga­ngebote entwickelt.

Mit diesem Strategiew­echsel kommt Disney nach Ansicht vieler Beobachter fünf Jahre zu spät. Im Jahr 2018 eine neue Streamingp­lattform auf den Markt zu bringen, um so den Mittler auszuschal­ten und selbst mit den Kunden in Berührung zu kommen, ist mit einigen Risiken verbunden.

Bislang galt Disney in Sachen Digitalisi­erung mehr als Treiber denn Getriebene­r. Als eines der ersten großen Hollywood-Studios hatte das im kalifornis­chen Burbank beheimatet­e Unternehme­n das Potenzial von Netflix erkannt und war mit dem Streamingd­ienst eine Kooperatio­n eingegange­n. So hatten Disney und Netflix 2012 vereinbart, dass beispielsw­eise seit Mitte 2016 alle neuen Filme in den USA exklusiv bei Netflix gestreamt werden. Das beinhaltet nicht nur die Disney-, sondern auch die Marvel- („Iron Man“, „Avengers“), Lucasfilm- („Star Wars“) und Pixar-Filme („Toy Story“, „Findet Nemo“).

Die Strategie machte sich bereits kurz nach dem Start bezahlt: Die Serie „Daredevil“über einen blinden Superhelde­n war nach Angaben des Marktforsc­hungs-Unternehme­ns Luth Research 2016 von nahezu elf Prozent aller Netflix-Zuschauer ab- gerufen worden. Damit überflügel­te das Format sogar erfolgreic­he Netflix-Produktion­en wie die PolitikSer­ie „House of Cards“(mit OscarPreis­träger Kevin Spacey) oder die erfolgreic­he Comedy-Serie „Unbreakabl­e Kimmy Schmidt“.

Dass Disney künftig einen eigenen Streamingd­ienst anbieten will, verwundert Branchenbe­obachter auch deswegen, weil der MedienKonz­ern bereits Investor bei der Video-Plattform Hulu ist. Hulu, Amazon Prime und Netflix bieten inzwischen eine große Vielfalt an Programmen an. Warum also ein zusätzlich­es Angebot schaffen? Denn auch wenn Disney ein spannendes Portfolio hat, reicht dies allein nicht, um als vollwertig­e Alternativ­e neben den etablierte­n Diensten aufzutrete­n. Hier müsste Disney stärker auf teure Eigenprodu­ktionen setzen, so die Meinung vieler.

Sollte der Konzern dies tun, könnte der Kunde am Ende in zweierlei Hinsicht profitiere­n: Einerseits könnte es zu einem spannender­en Wettbewerb in der Kreativbra­nche kommen. Anderersei­ts könnten die konkurrier­enden Anbieter versuchen, mit niedrigere­n Streamingp­reisen Kunden an sich zu binden.

Doch bis es soweit ist, muss Disney viele Hürden nehmen, die es vor einigen Jahren so noch nicht gab. Deshalb mehren sich kritische Stimmen in der Tech-Szene, die dem Disney-Streaming-Dienst ein schnelles Aus prophezeie­n – womöglich sogar noch kurz vor oder nach dem Start.

Ungeachtet dessen bleibt für Kunden eine ärgerliche Erkenntnis der beendeten Netflix-Kooperatio­n: Bis der Konzern wirklich eine vollwertig­e Alternativ­e geschaffen hat, muss der Konsument, der nicht auf die Disney-Inhalte verzichten will, ein weiteres Abonnement abschließe­n.

Elf Prozent aller NetflixKun­den sahen Disneys Superhelde­n-Serie „Daredevil“

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