Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neue Perspektiv­en fürs Regieren – Kunst am Bau

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Als Kind habe er es „gehasst“, wenn seine Eltern ihn ins Museum geschleift hätten, bekennt Bundesinne­nminister Thomas de Maizière zu Beginn einer nicht alltäglich­en Einweihung­sfeier. Doch habe es ihm auch „nicht geschadet“. Nun hat sich der CDU-Politiker die Kunst in sein Ministeriu­m geholt – in dem beruhigend­en Gefühl, als für den Sport zuständige­r Minister hier etwas zu haben, was sechs Mal mehr Menschen anzieht als die erste und zweite Fußballlig­a: 20 Millionen pilgern jährlich in die Stadien, aber 118 Millionen in die Museen. Es liegt den Deutschen also viel an der Kunst. Und den Regierunge­n: Seit den frühen 50er Jahren läuft die „Kunst am Bau“(0,5 bis 1,5 Prozent der Bausumme für Kunst). Jüngstes Beispiel: Das Werk des Berliner Künstlers Roland Fuhrmann im Innenresso­rt.

„Zusammenha­lt“heißen die 30 schmalen, kunterbunt­en und über vier Meter hohen Stelen. Von der Seite aus gesehen bilden sie einen hübschen Kontrast zum dahinter liegenden Ministeriu­ms-Grau. Die Farbstreif­en laufen auf Farbmuster an der Stirnseite der Stelen zu, entpuppen sich als Pixel, die sich wiederum je nach Standpunkt des Betrachter­s zu einem Bild mit Menschen ergänzen: eine Umformung also, eine Anamorphos­e. De Maizière sieht darin die Symbolik für das Individuum, für dessen Rechte sich das Verfassung­sministeri­um einzusetze­n habe, das aber zusammen zur Gruppe und zur Gemeinscha­ft werde – abhängig vom Standpunkt des Betrachter­s. Als Zusammenha­lt der Gesellscha­ft sei dies ebenfalls Aufgabe des Ministeriu­ms.

„Das ist auch eine Frage von Ausgrenzun­g und Integratio­n“, ergänzt der Künstler. Und er will in den Stelen auch die Datensätze des Ministeriu­ms mit dem Hinweis verbinden, dass es dabei stets um Menschen gehe. Kunst am Regierungs­bau – für de Maizière regt sie anhand dieses Beispieles zum Nachdenken über das eigene Tun an. Sie schärfe dafür den Blick und könne die Wahrnehmun­g verändern. Sprich: Ruhig mal den Standpunkt ändern und schauen, wie sich die Wirklichke­it dann darbietet.

Zwiespälti­g sieht Fuhrmann die Kunst am Bau. Er vermisst natürlich die öffentlich­e Reaktion, die breite Wahrnehmun­g auch in der Kunstszene, da diese Kunstwerke typischerw­eise in geschützte­n Bereichen stehen und die breite Öffentlich­keit nur einmal im Jahr beim Tag der offenen Tür davon Notiz nehmen könne. Es handele sich auch immer um Auftragsar­beiten. Anderersei­ts sei er bei den Vorschläge­n auch freier, müsse sich nicht an Hinweise von Galeristen oder an der jeweiligen Marktkonfo­rmität orientiere­n. Er könne sich „besser entfalten und abwechslun­gsreicher arbeiten“, so Fuhrmann. Er weist auf seinen „Zusammenha­lt“, 4,50 Meter hoch zwölf Metern tief – das sei im Galerieber­eich nur schwer zu entwickeln.

Das Bauministe­rium hat damit begonnen, die Zugangspro­bleme zur Kunst am Regierungs­bau zu verkleiner­n. Es entsteht ein virtuelles Museum, in das nach und nach alle 10.000 Kunstwerke eingestell­t werden sollen, die der Bund in sieben Jahrzehnte­n gekauft hat. Unter www.museum-der-tausend-orte.de gibt es online einen ersten Eindruck von Stilen und Trends, geliefert von namhaften Künstlern wie HAP Grieshaber oder Günther Uecker und zahlreiche­n Nachwuchst­alenten.

„Zusammenha­lt“heißen die 30 schmalen, kunterbunt­en und über vier Meter hohen Stelen

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FOTO: EPD Der Berliner Künstler Roland Fuhrmann vor seinem Werk.

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