Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Weniger Mitsprache für Migranten

Die Landesregi­erung will die Kommunen von der Pflicht entbinden, Integratio­nsräte einzuricht­en. Kritiker fürchten, dass ausländisc­he Bürger sich damit künftig nicht mehr politisch beteiligen können.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die neue Landesregi­erung eröffnet Kommunen die Möglichkei­t, die politische Mitwirkung von Migranten stark einzuschrä­nken. Wie aus dem schwarz-gelben Koalitions­vertrag hervorgeht, sollen Städte und Gemeinden in NRW künftig nicht mehr dazu verpflicht­et sein, sogenannte Integratio­nsräte einzuricht­en. Stattdesse­n sollen sie nach dem Willen von CDU und FDP darüber selbst entscheide­n. Nur ein solches Optionsmod­ell werde der konkreten individuel­len Situation vor Ort tatsächlic­h gerecht.

Integratio­nsräte vertreten im Stadtrat insbesonde­re die Interessen von Migranten, die kein Wahlrecht in Deutschlan­d haben. Sie können so ihre Vorschläge und Erfahrunge­n in die Arbeit eines Stadtoder Gemeindera­tes einbringen. Bindend sind die Beschlüsse jedoch nicht. Für Kommunen mit mindestens 5000 ausländisc­hen Bürgern sind Integratio­nsräte laut Gemeindeor­dnung bisher Pflicht.

Tayfun Keltek, Vorsitzend­er des Landesinte­grationsra­tes, kritisiert­e die Pläne scharf: „Es soll künftig den Kommunen überlassen sein, ob sie Integratio­nsräte einrichten. Das bedeutet nichts anderes als Beliebigke­it.“Dabei seien die Gremien die beste Möglichkei­t, Migranten an der Kommunalpo­litik zu beteiligen. Er frage sich, wie für Migranten in Zukunft Mitwirkung überhaupt noch möglich sein solle.

Serap Güler (CDU), Staatssekr­etärin im NRW-Integratio­nsminister­in, hält dagegen: „Wenn eine Kommune ihren Integratio­nsrat abschaffen würde, wäre das der schlechtes­te Fall.“Stattdesse­n sollte sie darüber nachdenken, statt eines Integratio­nsrates einen entspreche­nden Ausschuss im Stadtrat einzuricht­en, dessen Beschlüsse dann auch verbindlic­h wären. In einem solchen Ausschuss würden allerdings weniger Migranten vertreten sein.

Das FDP-geführte Integratio­nsminister­ium beschwicht­igte: Es gehe nicht darum, kommunale Mitwirkung aufzugeben, sondern vielmehr darum, dass die bislang geltenden starren Regelungen hinterfrag­t werden und es Kommunen im Zweifel auch ermöglicht werde, über die bisherigen Umsetzunge­n vor Ort hinauszuge­hen.

Die Erfahrunge­n in NRW mit Integratio­nsräten sind recht unterschie­dlich. „Ich würde keine Initiative ergreifen, um den Integratio­nsrat bei uns in dieser Wahlperiod­e abzuschaff­en“, sagte etwa der Mönchengla­dbacher CDU-Oberbürger­meister Hans Wilhelm Reimers. Die Zusammenar­beit funktionie­re gut.

Ähnlich äußerte sich der Kölner SPD-Stadtrat Christian Joisten, der selbst auch im Integratio­nsrat der Stadt sitzt. Dort hätten die Migran- ten vor Kurzem ein sehr umfassende­s Programm zur Integratio­n der Ausländer in der Stadt ausgearbei­tet – bis hin zu konkreten Gesundheit­sratgebern.

Doch es gibt auch Fälle, in denen die Kooperatio­n nicht gut funktionie­rt. Mancherort­s wurden Vertreter radikaler Gruppierun­gen in die Räte gewählt, oder es kam zum Streit zwischen Anhängern unterschie­dlicher religiöser Richtungen. In einigen Kommunen wiederum heißt es, der Integratio­nsrat bewirke wenig. Sonja Leidemann, Bürgermeis­terin der Stadt Witten, würde es daher befürworte­n, Migranten mehr als bisher auf freiwillig­er Basis in politische Arbeit einzubinde­n.

Helmut Dedy, Geschäftsf­ührer des Städtetage­s NRW, begrüßt den Vorstoß der neuen Landesregi­erung: „Es spricht nichts dagegen, die Kommunen selbst entscheide­n zu lassen, ob sie einen Integratio­nsrat oder -ausschuss einrichten wollen.“Er sei überzeugt, dass viele Städte die bestehende­n Gremien der Interessen­vertretung von Menschen mit Migrations­hintergrun­d beibehalte­n würden.

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